Duderstedt auf Kultour

Andreas Duderstedt

Jahrgang 1956, geboren in Reutlingen. Neun Jahre Volksschule, dann sechs Jahre Internat: Evangelisches Aufbaugymnasium Mössingen bei Tübingen. Dort habe ich begeistert Theater gespielt und 1976 Abitur gemacht. Nach dem Zivildienst im Kreiskrankenhaus Reutlingen studierte ich mit großer Freude in München Germanistik, Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Geschichte.Ich arbeitete als Dramaturgie- und Regieassistent, als Fremdenführer, Taxifahrer, Bänkelsänger, Archivar und – schon als Schüler und permanent – als Journalist. In der Diakonie Neuendettelsau war ich Pressesprecher, dann Öffentlichkeitsreferent der Lippischen Landeskirche (Detmold) und anschließend Pressesprecher der Evangelischen Kirche von Westfalen (Bielefeld). Journalistisch bin ich auch als Rentner (seit 2020) für verschiedene Medien aktiv, so etwa für den Evangelischen Pressedienst (epd), die Tageszeitung Neue Westfälische und die Evangelische Wochenzeitung Unsere Kirche. Die Podcasts Duderstedt auf Kultour entstehen auf der Grundlage von Features für diese Medien. Michael Schulte danke ich herzlich für die Idee und Umsetzung der Podcasts.

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Von Zivilcourage, Schuld und Vergebung

Von Zivilcourage, Schuld und VergebungEr war als Pfarrer und Dichter nach NS-Diktatur und Krieg eine vielbeachtete Stimme für Versöhnung und gegen Wiederaufrüstung. Heute ist die Erinnerung an Albrecht Goes verblasst – zu Unrecht. Zivilcourage. Dafür hat die deutsche Sprache nur ein Fremdwort. Doch es gibt sie – und es gab sie selbst unter der Diktatur, wo Zivilcourage lebensgefährlich sein konnte. Albrecht Goes war „durch und durch ein Citoyen“, schrieb der Pfarrerkollege Herwig Sander 2008 zum 100. Geburtstag: ein Bürger, der im Sinne der Aufklärung den Staat, das Gemeinwesen, mitgestaltet. Das schließt auch Zivilcourage ein. Als Dichter und als Theologe war Unruhe für ihn die erste Bürgerpflicht – nicht als Aufsässigkeit, „aber als Wachsamkeit um jeden Preis“. Den Heldinnen und Helden des Alltags in der Nazizeit, die wachsam waren und Zivilcourage bewiesen, hat Albrecht Goes in seiner Erzählung „Das Brandopfer“ (1954) ein Denkmal gesetzt. Die jüdische Bevölkerung einer Stadt darf nur noch in einer einzigen Metzgerei einkaufen, und auch dies nur für zwei Stunden pro Woche. Die Metzgersfrau muss mit ansehen, wie der Kreis ihrer jüdischen Kundschaft immer kleiner wird, immer mehr werden deportiert. Trotz strengen Verbots bemisst sie die kargen Rationen so großzügig wie möglich und steht den Bedrängten auch sonst bei. Immer stärker wird sie zur Mitwisserin, zur Vertrauten. „Und das ist die winzige, die wunderbare Möglichkeit des Menschen. Man kann ein Einwickelpapier weitergeben und eine Nachricht darin unterbringen. (…) Eine Stunde Vertrauen, ein Atemzug Frieden.“ Doch weil sie am Ende nicht helfen kann, fühlt sie sich schuldig und bleibt bei einem Luftangriff in ihrem brennenden Haus: Sie will ein Opfer bringen, ein Brandopfer. Ausgerechnet ein Jude rettet ihr das Leben. Zivilcourage bewies auch die Pfarrfrau Elisabeth Goes, die als Mitglied der „Württembergischen Pfarrhauskette“ 1944 das jüdische Ehepaar Max und Ines Krakauer vier Wochen im Pfarrhaus von Gebersheim nahe Stuttgart versteckte, später noch zwei jüdische Frauen. Die Pfarrhauskette war eine Untergrundorganisation, die Juden und anderen Verfolgten Zuflucht bot. Ihr Ehemann erfuhr erst nach seiner Rückkehr aus dem Krieg davon. Elisabeth Goes wurde später vom Staat Israel als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. „Das Brandopfer“ war das erste literarische Werk eines nichtjüdischen Autors, das die deutschen Verbrechen an den Juden zum Thema machte. Die Erzählung wurde in mehr als zehn Sprachen übersetzt und verfilmt. Sie war auch ein früher Beitrag zur Versöhnung nach der Shoa. Der evangelische Pfarrer Albrecht Goes hatte bereits 1934 mit dem damals noch in Deutschland lebenden jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber Kontakt aufgenommen. Als dieser 1953 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde, hielt Goes die Laudatio. Schuld und Vergebung: ein großes Thema des 1908 in einem schwäbischen Pfarrhaus geborenen Autors. Als Militärpfarrer musste er am Russlandfeldzug teilnehmen und in mehreren Fällen zum Tod verurteilte Deserteure bis zur Erschießung begleiten. Dies hat er in der knappen Erzählung „Unruhige Nacht“ (1950) verarbeitet, die ein großes internationales Echo hatte. Der Auschwitz-Überlebende Primo Levi in Turin, die jüdische Dichterin und spätere Nobelpreisträgerin Nelly Sachs in Stockholm, Thomas Mann, noch in Kalifornien, Hermann Hesse, Carl Zuckmayer und andere waren von dieser Geschichte beeindruckt. In der heutigen Ukraine lernt ein deutscher Soldat eine junge Witwe mit kleinem Kind kennen, deren Mann von seinesgleichen, den Deutschen, getötet worden ist. Eine Liebe im Krieg – der Deutsche tarnt sich als ukrainischer Bauer und will ein neues Leben beginnen, wird durch Zufall verraten und nach Kriegsrecht hingerichtet. Der Wehrmachtspfarrer, Alter Ego von Albrecht Goes, sagt vorher im Gespräch mit einem anderen deutschen Pfarrer: „Wir sind hineinverstrickt, der Hexensabbat findet uns schuldig, uns alle.“ Doch wenn eines Tages alles vorbei wäre, dann käme es darauf an, den Krieg zu entzaubern: „Man muß es dem Bewußtsein der Menschen eintränken, wie banal, wie schmutzig dieses Handwerk ist. (…) Krieg, das ist Fußschweiß, Eiter und Urin. Übermorgen wissen das alle und wissen es für ein paar Jahre. Aber lassen Sie nur erst das neue Jahrzehnt herankommen, da werden Sie’s erleben, wie die Mythen wieder wachsen wollen wie Labkraut und Löwenzahn. Und da werden wir zur Stelle sein müssen…“ Albrecht Goes war zur Stelle, als in der jungen Bundesrepublik wieder eine Armee aufgebaut werden sollte. Gemeinsam mit dem Theologen Helmut Gollwitzer, dem späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann und vielen anderen schloss er sich der „Paulskirchenbewegung“ an, die sich gegen die Wiederbewaffnung einsetzte und 1955 in der Frankfurter Paulskirche ein Manifest verabschiedete. „Unruhige Nacht“ wurde in über zwölf Sprachen übersetzt und zweimal verfilmt. 1953 gab er seine Pfarrstelle auf, predigte weiterhin zweimal im Monat und lebte als freier Autor in Stuttgart. Aus Albrecht Goes‘ lyrischem Werk spricht eine tiefe Glaubenszuversicht. Seine Verse weisen zumeist formal ins 19. Jahrhundert. Oft in Geburtsanzeigen und Taufeinladungen zitiert: das Gedicht „Die Schritte“ des dreifachen Vaters: Klein ist, mein Kind, dein erster Schritt,Klein wird dein letzter sein.Den ersten gehn Vater und Mutter mit,Den letzten gehst du allein. Sei’s um ein Jahr, dann gehst du, Kind,Viel Schritte unbewacht.Wer weiß, was das dann für Schritte sind,Im Licht und in der Nacht. Geh kühnen Schritt, tu tapfren TrittGroß ist die Welt und dein.Wir werden, mein Kind, nach dem letzten SchrittWieder beisammen sein. Doch es gibt auch freie Rhythmen und Montagetechnik – wenn das Thema es nahelegt: Die Erfahrungen von Krieg und Massenmord legen sich würgend auf die unschuldigen Kindheitserinnerungen: Die unablösbare Kette Als wir im Thujabaum schaukelten einst,Weißt du noch, Bruder,Und die Mutter rief unsre Namen hinaufIn den Baumwipfel, Bruder,Dachte sie wohl, daß Streit uns erwarte,Denn auch sie, die Tapf’re,Wußte zu streiten –Süß war, mild noch und nahe der Apfelbaumduft um Jakobi,Bitter des Nußbaums Arom.Tisch und Bank war bereit,Vieles lernen die Knaben:Sprachen und Länder und ZeitUnd den pythagoräischen Lehrsatz.Einen Lehrsatz noch nicht:NUSSBAUMHOLZ IST GUT FÜR GEWEHRSCHÄFTE. Später dann, die Platanenallee,Und wir führten den Nachen,Ausruhend jetzt, in das grüneDunkel am Hölderlinturm.Eure Stimmen waren mit uns:Rahel, Susanne –Eure Namen: Rahel, Susanne –Heiter dir, Bruder – doch mirBang und flüsternd geliebt.Schöne, vorläufige Namen. UndKeiner hat uns wissen lassenDEN DEFINITIVEN SAMMELNAMEN ANNE FRANK. Aber jetzt, wenn das QuittenbaumlaubNoch im Novemberlicht unsSeligkeit gaukelt und Glück,Unschuld der Kreatur –Wem gehört diese letzte,Die vergessene FruchtDort in der Krone?Rahel, Susanne, Bruder im Thujabaum –Jetzt freilich würgt am Halse sogleich dieUnablösbare Kette:BAUMFRUCHT FRUCHTKERN KERNHAUSBLAUSÄURE AUSCHWITZ.

Von Zivilcourage, Schuld und Vergebung

Reklamekönig und Säulenheiliger

Reklamekönig und SäulenheiligerBis heute ist der nach ihm benannte Werbeträger zehntausendfach im Gebrauch: die Litfaßsäule. Ernst Litfaß hat Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit beherrscht, lange bevor es diese Begriffe gab. Anschlagzettel und Plakate wurden wild auf Hauswände, Zäune und sonstige öffentlich sichtbare Flächen geklebt. Das missfiel nicht nur dem Berliner Druckereibesitzer und Verleger Ernst Litfaß, sondern auch dem gestrengen Polizeipräsidenten Karl Ludwig von Hinckeldey. Diesem kam ein Angebot des umtriebigen Litfaß gerade recht. Er wollte die alleinige Konzession zur Aufstellung von Anschlagsäulen in der preußischen Hauptstadt. Dem preußischen Beamten Hinckeldey konnte er dies schmackhaft machen, indem er ihm die Möglichkeit eröffnete, eine Zensur gegen den Plakatanschlag einzuführen. Litfaß erhielt 1854 die Konzession zur „Errichtung einer Anzahl von Anschlagsäulen auf fiskalischem Straßenterrain zwecks unentgeltlicher Aufnahme der Plakate öffentlicher Behörden und gewerbsmäßiger Veröffentlichungen von Privatanzeigen“. Außer den neu zu errichtenden Säulen umfasste der Vertrag auch bereits bestehende Brunnen und Pissoirs, die Litfaß mit Holz verkleiden ließ, um sie für den Plakatanschlag zu nutzen. Ordnung als Geschäftsidee: Die Anschlagsäulen waren anfangs in Berlin umstritten. Litfaß wusste das und startete eine intensive Presse- und Werbekampagne für das neue Medium. Die Idee für die Säule hatte er übrigens von Reisen aus London und Paris mitgebracht, was er aber nicht an die große Glocke hängte. Um die Berliner neugierig zu machen und für sein Vorhaben zu gewinnen, kooperierte er mit einer Tageszeitung, die fortlaufend und wohlwollend über den Entwicklungsstand des verheißungsvollen Projekts berichtete. Bald schon stand das Fundament der ersten Probesäule vor dem Haus seiner Druckerei. Und die Zeitungsleser erfuhren auch, wie die künftige Uniform der „Anschlagspediteure“ aussehen würde: Für die Plakatkleber waren eine graue Bluse mit roten Biesen, ein schwarzer Hut und ein Schild aus Messing vorgesehen. Großformatige Anzeigen in allen wichtigen Berliner Zeitungen kurz vor dem 1. Juli 1855 kamen hinzu, um an diesem Tag den „Geburtstag“ der Litfaßsäule zu feiern. Die Berliner strömten herbei und hörten zunächst ein kleines Platzkonzert: Es erklang erstmals die „Ernst-Litfaß-Annoncir-Polka“ des damals berühmten Komponisten Kéler Béla. Nun war Litfaß in seiner Heimatstadt zum „Reklamekönig“ oder, spöttisch-liebevoll, zum „Säulenheiligen“ geworden. Aus einer alten Buchdruckerfamilie stammend, hatte Ernst Litfaß 1845 den väterlichen Betrieb mit Druckerei und Verlag übernommen. Sein breites kulturelles Interesse, besonders an Literatur und Theater, nutzte er für verlegerische Aktivitäten. Im Auftrag von sieben Theatern gab er die „Theater-Zwischen-Acts-Zeitung“ heraus. Ein Erfolg, denn sie enthielt nicht nur die aktuellen Theaterzettel mit der Besetzung der Inszenierungen, sondern auch Berichte und Feuilletons und kostete trotzdem nicht mehr als der einfache Theaterzettel bisher. Seine Druckerei modernisierte er ständig. Er betrieb mehrere Schnellpressen, was die Kosten senkte, konnte Riesenplakate im Format von 6,28 mal 9,42 Meter drucken und war der Erste in Berlin, der sich an den Buntdruck wagte. In den Kriegsjahren 1866 und 1870/71 bekam Litfaß, inzwischen zum Kommissionsrat und Königlichen Hofbuchdrucker avanciert, die alleinige Konzession für die Erstveröffentlichung von Kriegsdepeschen. Das bedeutete einen weiteren geschäftlichen Erfolg, denn die offiziellen Nachrichten lockten viele Interessenten an die Litfaßsäulen. So erhielten auch die Reklameplakate höhere Aufmerksamkeit, was die Werbekunden zu schätzen wussten. Doch Litfaß wollte nicht als Profiteur der militärischen Nachrichtenvermittlung gelten. Er organisierte Wohltätigkeitsveranstaltungen, die er „patriotische Feste“ nannte. Diese beliebten „Litfaß-Bälle“ waren originell gestaltet und hatten Volksfestcharakter. Der Erlös kam zum Beispiel Kriegsinvaliden zugute. Ernst Litfaß starb am 27. Dezember 1874 bei einem Kuraufenthalt in Wiesbaden. Er hinterließ er ein Millionenvermögen. Die ersten Säulen maßen 3,28 Meter in der Höhe und 2,80 Meter im Umfang, hatten einen Schaft aus Eisenblech und waren von einem gusseisernen Palmettenfries bekrönt. Später baute man sie höher; Beton, Eternit und schließlich auch Kunststoff ersetzten das Metall. Das heutige Standardmodell bietet auf einer Standfläche von nur 1,25 Quadratmetern eine Werbefläche von stattlichen 13 Quadratmetern. Nach Angaben des Fachverbandes Außenwerbung gibt es heute deutschlandweit gut 35.000 Litfaßsäulen verschiedener Art. „Die Säule als Form, wie Ernst Litfaß sie einst in Deutschland populär machte, bleibt ein prägendes Medium in der Außenwerbung, obgleich sie sich von der Säule mit geklebten Plakaten hin zur Säule mit gehängten hinterleuchteten Plakaten entwickelt hat“, sagt Christian Knappe von der Wall GmbH in Berlin, die heute insgesamt rund 1070 Litfaßsäulen bewirtschaftet. Da sich die Firma Wall dem kulturellen Erbe von Litfaß verpflichtet fühlt, pflegt sie nach eigenem Bekunden „die Grabstelle des ‚Säulenheiligen‘ auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin.“

Reklamekönig und Säulenheiliger

Als Erster mit dem Schiff nach Indien

Als Erster mit dem Schiff nach IndienEr segelte als erster Europäer nach Indien und wurde als kühner Seefahrer gefeiert. Seinem Land erschloss er den lukrativen Gewürzhandel, seine Reisen stehen am Beginn des Kolonialismus. Doch seine Brutalität steht zu Recht in der Kritik. In Hamburg stehen zwei Denkmäler, eines für Christoph Kolumbus und eines für Vasco da Gama. Wer den Zollkanal überquert, um in die Speicherstadt zu gelangen, passiert die beiden steinernen Figuren. Wer war dieser Portugiese, Zeitgenosse des ungleich bekannteren Kolumbus? Vasco da Gama lichtete im Juli 1497 in Lissabon die Anker und landete im Mai 1498 in Calicut (heute Kozhikode) in Indien. Er begründete die Route, auf der bis zur Eröffnung des Suezkanals alle europäischen Schiffe nach Asien fuhren. Seit Beginn des 15. Jahrhunderts strebte das Königreich Portugal danach, das arabische Monopol im Handel mit indischen Gewürzen zu brechen. Der Seeweg nach Indien, das wusste man, führte um die Südspitze Afrikas: Erstmals 1434 gelang es, Kap Horn zu umsegeln. Die Portugiesen waren in Europa führend als Seefahrernation. Wirtschaftliche wie auch politische Interessen waren die Triebfeder: Es ging darum, neue Länder zu unterwerfen und auszubeuten und den Islam zu bekämpfen. So startete König Manuel I. 1497 eine Expedition nach Indien. Zum Oberbefehlshaber ernannte er den jungen Vasco da Gama, der sich einen Ruf als fähiger Navigator erworben hatte. Als Sohn eines königlichen Beamten wurde er um 1469 geboren. Dass die Reise ein Erfolg wurde, war auch dem Mut des Kommandanten zu verdanken, denn bis dahin fuhren die Schiffe fast nur in Sichtweite der Küsten. Niemand traute sich, unbekannte Ozeane zu durchqueren: Man fürchtete Stürme und Seeungeheuer als tödliche Gefahren. „Um gegenüber der See, dem Wetter, den Mannschaften, den Krankheiten, der Feindseligkeit der Afrikaner, Araber und Inder, dem tropischen Klima und politischen Intrigen bestehen zu können, bedurfte es neben navigatorischer Fertigkeit einer Mischung aus Diplomatie, Entschlossenheit, Schläue, Geistesgegenwart (…) und einer Hartnäckigkeit, die selbst in den hoffnungslosesten Situationen nicht zu erschüttern war“, schreibt Gernot Giertz, Herausgeber der zeitgenössischen Reiseberichte. Als das Flaggschiff „São Gabriel“, vollbeladen mit kostbaren Gewürzen, im September 1498 wieder in Lissabon eintraf, wurde Vasco da Gama triumphal empfangen. Doch er hatte in Indien und Afrika „Hass gegen alles Portugiesische gesät“, wie Giertz feststellt: durch sein stolzes, anmaßendes und skrupelloses Auftreten. 1502 stach Vasco da Gama zu seiner zweiten Indienfahrt in See, diesmal mit 21 schwer bewaffneten Fahrzeugen. Portugals Stellung an der indischen Malabarküste wurde von Vasco da Gama ausgebaut und militärisch gestärkt. Er begründete das portugiesische Kolonialreich in Asien. Gernot Giertz: „Seine zweite Reise hinterließ eine breite Spur von nutzlos vergossenem Blut, fast unvorstellbarer Grausamkeit, Tod und Verderben“. Seitdem herrschten die portugiesischen Vizekönige in Indien mit Raub und Mord und bereicherten sich durch Günstlingswirtschaft, Bestechung und Betrug. Die Kolonie verfiel. König João III., Manuels Nachfolger, wollte die Missstände abstellen. 1524 ernannte er Vasco da Gama zum Vizekönig von Indien und entsandte ihn auf seine letzte Reise dorthin. Nachdem er eine „gnadenlose Säuberungswelle“ (Giertz) in Gang gesetzt und mit rigorosen Verordnungen und drakonischen Strafen gegen Korruption und Misswirtschaft vorgegangen war, starb er drei Monate nach seiner Ankunft, wahrscheinlich an Malaria. Wie ist Vasco da Gama heute zu sehen und zu beurteilen? Im 19. Jahrhundert, der Hoch-Zeit des europäischen Kolonialismus und noch lange danach, galt er – wie Kolumbus – als Pionier, dessen Tat für die Entwicklung der Menschheit von größter Tragweite war. Deshalb errichtete man Denkmäler. Heute werden sie gestürzt. In den USA, aber auch in Südamerika sind seit 2020 zahlreiche Kolumbus-Statuen vom Sockel gestoßen worden – weil sie Rassismus und Kolonialismus verherrlichen würden. Für den Historiker Franz-Josef Arlinghaus besteht Vasco da Gama eigentlich aus drei Personen, auf die sich heute der Blick richtet: Zunächst die historische Figur, um 1500 unterwegs, um das arabische Handelsmonopol zu brechen; dann der Entdecker, den das 19. Jahrhundert aus ihm machte; und schließlich der menschenverachtende Kolonialist, wie ihn heute einige sehen. Aus dieser Perspektive werde der Vasco da Gama des 19. Jahrhunderts angegriffen, nicht der historische. „Die postkoloniale Diskussion tut sich keinen Gefallen, wenn sie zwischen den Epochen nicht genug differenziert“, so Arlinghaus, der in Bielefeld Geschichte des Hoch- und Spätmittelalters lehrt. Das 19. Jahrhundert sei ebenso in den Blick zu nehmen wie die Zeit um 1500, um zu einem differenzierten Urteil zu kommen. Das bedeutet für den Historiker jedoch nicht, alles zu tolerieren. Für Vasco da Gama war die Folter ein selbstverständliches Herrschaftsmittel. Auch wenn es die Menschenrechte in der Vormoderne noch nicht einmal als Idee gab, sagt Arlinghaus klar: „Wer foltert, hat unrecht.“ Von Denkmalstürzen hält er trotzdem nichts. Das Schwarzweißdenken der Bilderstürmer widerstrebt ihm.

Als Erster mit dem Schiff nach Indien

Affe der Macht oder Retter der Verfolgten?

Affe der Macht oder Retter der Verfolgten?Sein mimisches Talent war herausragend, seine Erfolge waren triumphal, seine Inszenierungen setzten Maßstäbe. Seine Person jedoch war hoch umstritten, sein Leben unglücklich. Gustaf Gründgens wurde 1899 in Düsseldorf geboren. Als er 1934 Intendant des Preußischen Staatsschauspiels in Berlin wurde, hatte Gustaf Gründgens, alles erreicht, was ein Theatermann in Deutschland erreichen konnte. Die staatlichen Bühnen führte er zu ungeahntem Glanz. Genau das war der Ehrgeiz des Preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring, dem die Staatstheater direkt unterstanden. Göring, der wenig später die Schauspielerin Emmy Sonnemann heiratete, hatte das Amt des Intendanten dem Schauspieler Gründgens angeboten, den er bewunderte, und ließ ihm viele Freiheiten. Seine Rolle als Künstler im Dienst der Nazidiktatur ist krass zwiespältig, die Ambivalenz lässt sich nicht auflösen. Einerseits konnte er als Protegé des mächtigen Göring manchen Schauspielerkollegen helfen, die entweder Juden oder mit einer Jüdin verheiratet oder als Regimegegner gefährdet waren. 1943 erreichte Gründgens, dass der Sänger und Schauspieler Ernst Busch, ein Kommunist, nicht zum Tode verurteilt wurde, sondern zu vier Jahren Zuchthaus. Der Anteil der Nazis im Staatsschauspiel-Ensemble war gering. Die Bühne unter der Diktatur war für den Intendanten ein geschützter, berechenbarer Raum. Rückblickend sprach er von einem „Planquadrat“, auf dem er genau wusste, „wenn ich den Satz sage, geht hinten eine Tür auf, und eine Dame in einem grünen Kleid kommt herein – und nicht ein SS-Mann“. Andererseits verhalf er den mörderischen Machthabern zu einem beachtlichen kulturellem Renommee und machte sie damit ein Stück weit salonfähig. Dabei war Gründgens selbst schon allein wegen seiner Homosexualität eindeutig gefährdet. Es war ein Tanz „auf dem Rasiermesser“, stellte Carl Zuckmayer später fest. Die Heirat mit der Kollegin Marianne Hoppe 1936 sollte dem Gerede über seine sexuelle Orientierung entgegenwirken. Mit begrenztem Erfolg, wie der Spottvers zeigt, der damals entstand: „Hoppe hoppe Gründgens, die kriegen keine Kindgens, und wenn die Hoppe Kindgens kriegt, dann sind sie nicht von Gründgens nicht.“ Klaus Mann, ältester Sohn von Thomas Mann, kannte Gründgens gut, denn dieser war von 1926 bis 1929 mit seiner Schwester Erika verheiratet gewesen. In dem Roman „Mephisto“, 1936 im Exil erschienen, gibt Klaus Mann dem Schauspieler Hendrik Höfgen deutliche Züge seines vormaligen Schwagers. Und nach einer erfolgreichen Hamlet-Premiere lässt er in einem inneren Monolog den Hamlet zu seinem Darsteller sagen, er sei „ein Affe der Macht und ein Clown zur Zerstreuung der Mörder“. Der Theaterwissenschaftler und Gründgens-Biograf Thomas Blubacher spricht von einem „schillernd widersprüchlichen Menschen, der sicher als Nutznießer des Dritten Reiches betrachtet werden kann, der sich aber auch erfolgreich für Kollegen eingesetzt hat“. Gerade in solchem Einsatz sieht Klaus Mann in seinem Roman egoistische Motive: Sie beruhigen nicht nur das Gewissen des Karrieristen Höfgen alias Gründgens, sondern sind auch „Rückversicherungen“, die er „sich ohne gar zu große Risiken leisten durfte“: für seine Reinwaschung, wenn das NS-Regime eines Tages nicht mehr bestehen sollte. Tatsächlich war es 1946 Ernst Busch und anderen zu verdanken, dass Gründgens nach neun Monaten aus einem sowjetischen Internierungslager entlassen wurde. Nun konnte er in der Bundesrepublik erneut eine glänzende Karriere beginnen. Gründgens und später sein Erbe haben jahrzehntelang juristisch verhindert, dass das Buch in Westdeutschland erscheinen konnte. Das geschah erst 1980. Doch Klaus Mann hatte beteuert, sein „Mephisto“ sei kein Schlüsselroman: „Mir lag nicht daran, die Geschichte eines bestimmten Menschen zu erzählen […] Mir lag daran, einen Typus darzustellen und mit ihm die verschiedenen Milieus (mein Roman spielt keineswegs nur im ‚braunen‘), die soziologischen und geistigen Voraussetzungen, die solchen Aufstieg erst möglich machten.“ Dennoch: Die Übereinstimmungen bis ins Detail, nicht nur mit der Hauptfigur, liegen auf der Hand. Aber trotzdem, erklärt Thomas Blubacher, „erzählt der Roman beispielhaft etwas Allgemeingültiges“. Wie aber konnte Gründgens im Faschismus künstlerisch bestehen? Hat er seinen Anspruch verraten? Keineswegs, meint Blubacher. Seine „werkintegren“ Klassikerinszenierungen in Verbindung mit höchster handwerklicher Professionalität waren ihm „eine Möglichkeit, den ‚heiligen Raum‘ des Theaters freizuhalten von nationalsozialistisch-propagandistischer Indienstnahme“, so der Experte. Sein „hoher und strenger Stil“ habe durchaus ins System gepasst. Er musste sich also gar nicht in den Dienst des plumpen „Überwältigungtheaters“ der Nazis stellen – anerkennend urteilte später der Kollege Fritz Kortner, der als Jude vor den Nazis fliehen musste, Gründgens habe zu den „Widerstandskämpfern gegen den Hitlerstil“ gehört. Die Rolle seines Lebens aber war der Böse in Person: Mephistopheles in Goethes „Faust“, den er erstmals 1932 und im Lauf seines Lebens rund 600-mal spielte. Schon vorher war er immer wieder als durchtriebener Schurke auf der Bühne erfolgreich gewesen, auch im Film: als Schränker, Geldschrankknacker, in „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ von Fritz Lang (1931). Dem Teufel aber, der mit Faust einen Pakt schließt, verlieh er schalkhafte, witzige Züge. 1957 kam in Hamburg „Faust I“ mit Gründgens als Mephisto heraus – seine berühmteste Inszenierung, die 1960 verfilmt wurde. Von Anfang an strebte er energisch nach oben. Nach Engagements in Halberstadt, Kiel, Hamburg, kam er 1928 in die Kulturmetropole Berlin. Immer verhandelte er hart und entschlossen um hohe Gagen. Sein luxuriöser Lebensstil verschlang viel Geld. Der Arbeit ordnete Gründgens alles andere unter – menschliche Beziehungen und die eigene Gesundheit. „Ein Fanatiker der Präzision“, schrieb er über sich selbst, „ist er ein geschworener Feind alles Zufälligen, Unklaren und Unkontrollierbaren. Der Zuschauer soll verstehen, was der Schauspieler sagt. Der Schauspieler soll verstehen, was der Dichter sagt, und der Dichter soll verstehen, was er selber sagt.“ Als Chef, so Thomas Blubacher, zeigte er „enorme Führungsqualitäten und eine stupende Menschenkenntnis, setzte auf Respekt und Disziplin, forderte Einsatz und Höchstleistungen von allen und duldete nicht die kleinste Nachlässigkeit.“ Seine wirtschaftliche Bilanz war beeindruckend: Unter Gründgens‘ Intendanz waren die Häuser voll, spielten die Theater den allergrößten Teil ihrer Kosten ein. Nach dem Krieg wurde er in seiner Heimatstadt Düsseldorf Generalintendant des neu eröffneten Schauspielhauses, dann des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg. Am 7. Oktober 1963 starb Gustaf Gründgens auf einer Weltreise in der philippinischen Hauptstadt Manila an einer Überdosis Schlaftabletten.

Affe der Macht oder Retter der Verfolgten?

Parkinson

Arzt, Geologe, Sozialreformer, MenschenfreundSein Name ist untrennbar mit der Krankheit verbunden, die er als erster beschrieben hat. Doch James Parkinson war weit mehr als ein Arzt. Es ist eine kurze Arbeit, die dem Mediziner James Parkinson dauerhafte Bekanntheit einbrachte: „Ein Essay über die Schüttellähmung“ aus dem Jahr 1817. Er berichtet darin lediglich über sechs Fälle, nur drei davon hat er selbst eingehend untersucht. Doch die Symptome beschreibt er treffend: „Unwillkürliche, zitternde Bewegungen, verbunden mit verminderter Muskelkraft, zeitweise selbst mit Unterstützung völlig unbeweglich; Neigung zu vornübergebeugter Körperhaltung und zum Übergang von einer laufenden in eine vorwärts rennende Bewegung; die Sinne und der Intellekt bleiben unbeeinflusst.“ Heute ist die Paralysis agitans nach ihm benannt: Parkinson-Krankheit. 60 Jahre nach Parkinsons Tod 1824 prägte der französische Neurologe Jean-Marie Charcot bereits die Bezeichnung „Maladie de Parkinson“ und empfahl seinen Studenten wärmstens die Lektüre: „Lesen Sie das ganze Buch und es wird Ihnen Befriedigung verschaffen und Wissen vermitteln, wie man es immer gewinnen kann von der direkten klinischen Beschreibung bei einem ehrlichen und sorgfältigen Beobachter.“ Und heute? Weder Parkinson noch Charcot konnten ahnen, dass das Absterben der Dopamin produzierenden Nervenzellen im Hirnstamm eine Schlüsselrolle spielt, schreibt die Medizinjournalistin Sabine Schuchart im Deutschen Ärzteblatt: „Aber die eigentliche Ursache der Erkrankung kennen wir auch 200 Jahre nach Parkinsons Entdeckung nicht.“ Die Krankheit ist bis jetzt nicht heilbar. Allein in Deutschland leiden 400.000 Menschen an Morbus Parkinson. Ein beherrschendes Lebensthema des Mediziners James Parkinson aber war nicht die Krankheit, die er als erster beschrieb, sondern der Einsatz für Unterprivilegierte, Arme und Schwache. Er wurde 1755 als Sohn eines Chirurgen und Apothekers in London geboren, übernahm dann die Praxis seines Vaters in einem Londoner Armenviertel. Und er wurde Mitglied von politischen Vereinigungen, die sich für eine grundlegende Reform der Steuer und des Strafvollzugs einsetzten. Es war die Zeit der Französischen Revolution. Unter dem Pseudonym „Old Hubert“ veröffentlichte Parkinson antiroyalistische Schriften. 1795 wurde König George III. in London von einer aufgebrachten Menge mit dem Ruf nach Brot, Frieden und gleichem Wahlrecht angegriffen, am Ende war ein Loch in der Fensterscheibe der Staatskarosse. Auch der Armenarzt Parkinson war angeklagt, zu den Aufrührern zu gehören, wurde aber freigesprochen. Der vielseitige Doktor interessierte sich aber auch für Geologie und Paläontologie und trug eine Sammlung von Fossilien zusammen, die über England hinaus berühmt wurde. Er war Mitbegründer der bis heute bestehenden „Geological Society of London“, der weltweit ältesten geologischen Organisation. Als er öffentlich erklärte, vor Tausenden von Jahren seien in England gigantische Reptilien herumgelaufen, rieten ihm wohlmeinende Freunde, darüber zu schweigen, um seinem wissenschaftlichen Ruf nicht zu schaden. Von Dinosauriern hatte man damals noch nichts gehört. Seine Bücher richteten sich oft an medizinische Laien, etwa mit gesundheitlichen Ratschlägen, Grundkenntnissen der Chemie oder der Warnung vor Unfallgefahren. Mit der damaligen Ausbildung von Ärzten setzte er sich kritisch auseinander. Gemeinsam mit seinem Sohn John veröffentlichte er 1812 den ersten englischen Aufsatz über Blinddarmentzündung als Todesursache. Er schrieb außerdem über Kindesmissbrauch und psychische Krankheiten, die er als Mitarbeiter einer privaten psychiatrischen Klinik kennengelernt hatte, und engagierte sich für menschenwürdige Zustände in den sogenannten „Mad-Houses“, auf Deutsch damals „Irrenanstalten“ genannt. „Parkinsons breites wissenschaftliches Interesse und sein Engagement für soziale Gerechtigkeit sind für uns Inspiration und Ansporn“, würdigt ihn Joseph Claßen, erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG), die die Erforschung der Krankheit fördert. Die DPG fühle sich auch der Persönlichkeit Parkinsons verpflichtet. Bei Diagnostik und Behandlung seien entscheidende Fortschritte zu verzeichnen, vor allem in der medikamentösen Therapie, die das fehlende Dopamin ersetze, erklärt Claßen: „Für viele Patienten ein erheblicher Gewinn an Lebensqualität.“ Es habe zuletzt „einige denkwürdige Veröffentlichungen von verschiedenen Ansätzen gegeben, die darauf hindeuten, dass die Krankheit verlangsamt werden kann oder sogar zum Stehen gebracht werden kann.“ Allerdings, betont der Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Leipzig, sei 200 Jahre nach Parkinsons Tod trotz erheblicher Fortschritte „eine vollständige Heilung noch nicht in greifbarer Nähe.“

Parkinson

Ist Gott Quere?

Ist Gott queer?Eine Predigt im Abschlussgottesdienst des Kirchentages in Nürnberg 2023 hat viel Zustimmung bekommen, aber auch Hasskommentare hervorgerufen. Einen fruchtbaren Dialog über die Aussage „Gott ist queer“ gab es leider fast gar nicht. „Jetzt ist die Zeit zu sagen: Gott ist queer.“ Für diesen Satz in seiner Predigt im Schlussgottesdienst des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Nürnberg hat er viel Beifall bekommen. Pastor Quinton Ceasar musste aber auch hasserfüllte Reaktionen aushalten, mörderische Wut, widerliche Vernichtungsfantasien. Das ist schlimm. Und dass nicht wenige dieser bösartigen Beleidigungen von Christen kamen, die den Prediger am liebsten jetzt schon in der Hölle sehen würden – das ist noch schlimmer. Über seine Predigt darf und soll man diskutieren, auch streiten. Doch wenn man sich öffentlich über theologische Aussagen austauscht, dürfen zumindest menschlicher Anstand und Höflichkeit erwartet werden. Gerade unter Christen, die im Gegenüber ein Ebenbild Gottes sehen, bitte nicht ohne Respekt, besser noch: nicht ohne Liebe. „Wir vertrauen eurer Liebe nicht“, hat der schwarze Pastor aus Ostfriesland gesagt. „Meine Geschwister und ich: Wir haben keinen sicheren Ort in euren Kirchen.“ Zugegeben, das macht eine liebevolle Antwort nicht gerade leicht. Zugegeben, er hat provoziert, wollte wahrscheinlich bewusst einen Stachel ins Fleisch seiner selbstzufriedenen Kirche setzen. Das rechtfertigt natürlich in keiner Weise die Hasskommentare. Sie zeugen, so glaube ich, von einer tiefen Unsicherheit: Scheinbare Gewissheiten, die man für die Fundamente des Glaubens hält, stehen plötzlich in Frage. Das verstört und führt zu verstörenden Reaktionen.Ceasar hat mit seiner Predigt provoziert und polarisiert. Dass sich das Kirchentagspräsidium angesichts der menschenverachtenden Kommentare hinter ihn stellte, ist selbstverständlich. Doch die extremen Reaktionen – begeisterte Zustimmung einerseits, wütende Ablehnung andererseits – stehen leider einem fruchtbaren Dialog im Weg. Sie blockieren ihn.Dieser Dialog unter evangelischen Christenmenschen ist aber notwendig. Dabei hilft, wie auch sonst sehr oft, die Tugend des dialektischen Denkens. Ich versetze mich in den anderen hinein und schaue, so gut ich kann, aus seinem Blickwinkel auf mich selbst. Was bewegt ihn, was treibt ihn an? Man muss nicht alles teilen, was Quinton Ceasar damals auf dem Nürnberger Hauptmarkt gesagt hat. Also: Ist Gott queer? Queere Christen zeigen immer häufiger Gesicht. Gut so. Sie feiern Regenbogengottesdienste. Sie fordern Anerkennung und Gleichberechtigung als Christen. Richtig. Sie betonen, dass queere Menschen in den Gemeinden schon lange da sind. Der Verweis auf die Ebenbildlichkeit aller Menschen ist ein starkes Argument. Die Schöpfungsgeschichte, aus queerer Perspektive gelesen, besagt: Gott hat alles geschaffen, Mann und Frau und alle anderen dazwischen. Gott passt nicht in menschliche Vorstellungen und Bilder.Die Theologin Kerstin Söderblom sagt: „Nach diesem Verständnis kann Gott als ‚queer‘ bezeichnet werden. Denn der Begriff ‚queer‘ kritisiert alle zweigeschlechtlichen und heteronormativen menschlichen Kategorien. Gott ist in diesem Sinn ganz anders, jenseits von menschlichen Schubladen und unverfügbar für menschliche Normen und Bewertungen.“ So weit Kerstin Söderblom.Aber ist „queer“ nicht auch wieder genau das: eine menschliche Norm und Bewertung? Wenn Gott „queer“ ist, entzieht er sich zwar der zweigeschlechtlichen und heteronormativen Kategorie. Aber wird er nicht in eine neue Schublade eingesperrt?Deshalb bin ich sehr skeptisch bei Aussagen über das Wesen Gottes. „Gott ist…“ – Sätze, die so beginnen, haben schon viel Unheil angerichtet. Nicht umsonst steht das Bilderverbot gleich am Beginn der Zehn Gebote. Angesichts der Unbegreiflichkeit Gottes neigen Menschen schon immer dazu, sich ein Bildnis von ihm zu machen – das weiß die Bibel und bietet zugleich eine Fülle wunderbarer sprachlicher Bilder: keineswegs nur Herr oder König, sondern auch Vater, der sich seiner Kinder erbarmt, oder Mutter, die ihren Mantel schützend ausbreitet. Gott ist eine Burg, eine Zuflucht. Unter seinem Schirm oder unter dem Schatten seiner Flügel bin ich geschützt. Gott ist Sonne und Schild. Er ist Hirte. Richter. Er ist wie ein athletischer Mensch: „du hast einen gewaltigen Arm“, betet der Psalmist, „stark ist deine Hand, und hoch ist deine Rechte“. Mit einem Winzer vergleicht der Prophet Jesaja den Gott Israels, und sein gottvergessenes Volk mit einem Weinberg, der trotz bester Hege und Pflege nur schlechte Früchte bringt.Ja, es gibt das Risiko, dass Gott in das Gefängnis der begrenzten menschlichen Vorstellungskraft eingesperrt wird – mit verheerenden Folgen. Menschen machen sich einen Entwurf von Gott, der ihren Zwecken dient. Menschen basteln sich ihren Gott, mit dem sie sich einrichten und der für vieles herhalten muss. Manche hatten von Gott nur das Bild vom alten Mann mit langem weißem Bart, der auf einer Wolke sitzt. Und als sie ihren Kinderglauben und damit auch dieses Bild verloren, blieb ihnen gar nichts mehr. Aber: Zeigt nicht genau dieses banale Beispiel, was die vielen verschiedenen und ausdrucksstarken biblischen Bilder von Gott bedeuten? Wir können seine Größe nicht fassen. Er entzieht sich unserer Definition. Weil wir ihn also nicht begreifen können, brauchen die Autoren der Bibel wechselnde Bilder. Es sind viele, alle sagen etwas über Gott aus. Doch wir können ihn auf keines festlegen. Nicht auf ein Geschlecht, weder männlich noch weiblich noch dazwischen. Der biblische Reichtum an Bildern zeugt also von einer wunderbaren Freiheit: Wir haben eine Fülle von Möglichkeiten, Gott zu denken, mit ihm zu sprechen, ihm nahe zu kommen. Bilder dienen in der Bibel also gerade dazu, Gott nicht festzulegen, ihn nicht in den Käfig unseres Denkens zu sperren.Wir sind Menschen und können Gott nur menschlich denken. Auch die Naturwissenschaften – Mathematik, Physik, Chemie – können ja letztlich nur mit Modellen arbeiten, um sich der Wirklichkeit anzunähern. Unsere Vorstellungskraft ist auf menschliche Hilfsmittel angewiesen. Für Martin Luther, der das Bilderverbot nicht in die Reihe der Zehn Gebote aufnahm, war Christus das Bild Gottes. Wir wissen nicht, wer Gott ist. Aber in Christus sehen wir Gott: nicht so, dass wir ihn erfassen, festlegen und eingrenzen. Sondern in der Gewissheit des Glaubens: Jesus Christus, der Mensch, lebt, spricht und handelt in der letzten Autorität Gottes.Zwar ist unsere Erkenntnis Stückwerk und damit auch all unsere Bilder, aber weil Gott uns als Mensch begegnet, können Bilder aller Art eine – vielleicht menschlich-geniale – Möglichkeit sein, etwas von seiner Wirklichkeit zu erfahren. Und zu dieser Wirklichkeit gehört: Er wendet sich uns liebevoll zu. Er gibt uns Würde, unabhängig von dem, was wir sind – ob Mann oder Frau oder divers oder queer, schwarz oder weiß, alt oder jung und welche Unterschiede es noch geben mag. Er ist nicht unnahbar, sondern teilt unser Leben. Wir können nicht über ihn verfügen, wir können ihn nicht in ein Bild einsperren, aber wir haben Grund zur Hoffnung, dass er mitten unter uns ist. Wenn Pastor Quinton Ceasar sagte, Gott sei immer an der Seite derer, die am Rand stehen, „die nicht gesehen, nicht gehört und nicht genannt werden“, stimme ihm zu. Und das gilt auch für seinen Satz: „Wenn Gott da ist, dann ist da auch unser Platz.“

Ist Gott Quere?

Düstere Zukunftsvision oder beißende Satire

Düstere Zukunftsvision oder beißende Satire?„Big Brother is watching you“ – der Satz aus George Orwells Roman „Neunzehnhundertvierundachtzig“ ist zum Inbegriff für den totalen Überwachungsstaat geworden. Das Buch erschien 1949 und wurde ein Welterfolg.Diese Diktatur versucht gar nicht erst, ihre Grausamkeit als hehres Anliegen zu verbrämen. Sie gibt sich keine Mühe, menschenverachtende Gewalt als harte, aber notwendige Maßnahme erscheinen zu lassen, die dem Wahren und Guten dient. Das unterscheidet das Leben in George Orwells Roman „Neunzehnhundertvierundachtzig“ von realen totalitären Systemen. Ob unter Hitlers oder Stalins Tyrannei oder in gegenwärtigen Diktaturen – immer wird der Bevölkerung vorgegaukelt, das Regime sei im Recht und führe das Volk in eine strahlende Zukunft.Orwells Protagonist Winston versteckt sich mit seiner Geliebten Julia vor der totalen Überwachung, ist aber von Anfang an im Visier der allmächtigen Partei. Er wird überführt, verhaftet und gefoltert. Und sagt irgendwann zu seinem Peiniger: „Ihr herrscht über uns zu unserem eigenen Besten.“ Winston wird belehrt: „Die Partei strebt die Macht lediglich in ihrem eigenen Interesse an. Uns ist nichts am Wohl anderer gelegen. (…) Macht ist kein Mittel, sie ist ein Zweck. (…) Der Zweck der Macht ist die Macht.“In Orwells Roman ist die Überwachung total. Dem allgegenwärtigen Bildschirm (telescreen) entgeht nichts. Das Gerät ist zugleich Sender und Empfänger, selbst in Privatwohnungen kann es nicht abgeschaltet werden. Auch wenn andere Technik wie Rohrpost oder Wachswalzen-Tonaufnahmen heute altertümlich anmutet, funktioniert die Kontrollmaschinerie perfekt. Die Gedankenpolizei verfolgt abweichendes Denken, Kinder denunzieren ihre Eltern. Die Sprache wird so umgekrempelt, dass bestimmte Begriffe und Gedanken, die dem System widersprechen, nicht mehr möglich sind. Das Ergebnis: eine „Neusprache“ (Newspeak).Es mag scheinen, als hätte die Wirklichkeit von 2024 Orwells Welt eingeholt. In China gibt es Gesichtserkennung im öffentlichen Raum, ebenso Geschichtsverfälschung. Eine ganze Generation hat vom Massaker auf dem Tiananmen-Platz 1989 noch nie gehört. In Russland biegt Putin die russische und ukrainische Geschichte zurecht, um seinen Angriffskrieg zu rechtfertigen. Wer diese „militärische Spezialoperation“ Krieg nennt, wird bestraft. In den USA sprach eine Beraterin Präsident Trumps 2017 von „alternativen Fakten“, um offensichtlich falsche Aussagen zu seiner Amtseinführung zu rechtfertigen.Orwell, 1903 im damaligen Britisch-Indien als Eric Arthur Blair geboren, nahm 1936 als Freiwilliger auf republikanischer Seite am Spanischen Bürgerkrieg teil. Dort begegnete ihm Terror, der seiner Vorstellung von einem „demokratischen Sozialismus“ krass widersprach. Der „Große Bruder“, Personifizierung der Macht in Orwells Roman, trägt Züge Stalins.Häufig wird „Neunzehnhundertvierundachtzig“ als Warnung vor politischem Totalitarismus verstanden. Ralph Pordzik, Professor für Englische Literatur- und Kulturwissenschaft in Würzburg, weist jedoch darauf hin, dass „Nineteen Eighty-Four“ eher eine gelungene Satire als eine „ernstzunehmende Warnung vor einer unbestimmten Zukunft“ ist. Denn der Roman enthält einen Anhang, „der aus der Perspektive der Nachzukunft geschrieben ist“ und über die Welt von „Neunzehnhundertvierundachtzig“ in der Vergangenheit spricht.Daraus ergebe sich, „dass Orwell selbst an eine Überwindung derart repressiver Systeme mithilfe der sprachlichen Vernunft gedacht haben muss“, erläutert Pordzik. „Die Welt, in der Winston Smith 1984 lebte, ist also selbst irgendwann untergegangen, vermutlich weil die Reprogrammierung der Bevölkerung durch eine künstliche Sprache, das Newspeak, gescheitert ist.“Gerade in der Sprache sieht der Anglist „ein starkes Instrument der satirischen Grundausrichtung des Romans, mit der Orwell auf eine Kritik der hohlen Phrase und der sperrenden Katalogsprache ideologischer Fraktionen in den von Polarisierung geprägten 1940er Jahren abzielt.“ Die Gefahr der Plattitüde lauere überall, wo der Bevölkerung schlichte Botschaften vermittelt werden sollen. „Sprachliche Mehrdeutigkeiten und interpretative Freiräume müssen zum Erreichen dieses Ziels unbedingt unterbunden werden.“In den Staaten des Ostblocks war das Buch verboten, weil es den Sozialismus verunglimpfe. Heute ist es in Belarus verboten. „Politische Systeme, die ‚Nineteen Eighty-Four‘ verbieten, sind sich der Potenziale dieses außergewöhnlichen Romans, autoritäre Herrschaftsformen herauszufordern und radikal in Frage zu stellen, offensichtlich bewusst“, erklärt Pordzik. „Sie fürchten sich davor, zur Karikatur oder Zielscheibe satirischer Darstellungen zu werden, vor allem, wenn diese mit subtilen ästhetischen Mitteln inszeniert werden.“ So werde die schon häufiger für tot erklärte Fähigkeit der Literatur unter Beweis gestellt, den Kampf um Gerechtigkeit und Demokratie mit ihren eigenen Mitteln zu führen.Orwell starb 1950, ein halbes Jahr nach dem Erscheinen seines letzten Werks. „Nineteen Eighty-Four“ wurde in 30 Sprachen übersetzt und erzielte Auflagen von vielen Millionen. Am Ende des Buchs, körperlich und seelisch gebrochen, ist Winston so weit. Die Gehirnwäsche, „Umschulung“ genannt, ist erfolgreich. Der Roman schließt: „Er hatte den Sieg über sich selbst errungen. Er liebte den Großen Bruder.“

Düstere Zukunftsvision oder beißende Satire

Der germanische Dreiklang

Der germanische DreiklangDie Reichsmusiktage 1938 in Düsseldorf verfolgten das Ziel einer „reinrassigen“ Kunst – und offenbarten dabei manche Widersprüche. Eine „Heerschau deutscher Tonkunst“ sollten sie sein, eine „Olympiade deutscher Musik“, jubelte die gleichgeschaltete Presse: die Reichsmusiktage, 1938 auf Initiative des Propagandaministeriums von der Reichsmusikkammer und der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ in Düsseldorf veranstaltet.Der feierlichen Eröffnung am 22. Mai, dem 125. Geburtstag von Richard Wagner, folgten acht Tage mit einem dicht gefüllten Programm: Drei Sinfoniekonzerte, vier Werkkonzerte bei Rheinmetall-Borsig und in anderen Betrieben, Platzkonzerte an verschiedenen Stellen der Stadt, Kammermusiken, Chorkonzerte, ein musikalischer Tee-Empfang auf der Rheinterrasse, Offenes Singen, dazu Tagungen (zum Beispiel über „Musik und Rasse“). Offizieller Höhepunkt: die „Kulturpolitische Kundgebung“ mit Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, eingeleitet von einem „Festlichen Vorspiel“, komponiert und dirigiert von Richard Strauss. Er und Hans Pfitzner, dessen Kantate „Von deutscher Seele“ erklang, waren die etablierten Tonsetzer im Dienst des Naziregimes, ansonsten standen Werke der deutschen Klassik und Romantik auf dem Programm. Die damals jungen Komponisten, die in Düsseldorf uraufgeführt wurden, sind heute vergessen. Die von zentraler Stelle durchgeführten Reichsmusiktage sollten die glanzvolle Überlegenheit deutscher Musik machtvoll zum Ausdruck bringen, repräsentativ und populär, auf Grundlage der rassisch begründeten Musikpolitik des „neuen Deutschland“, mit dem Anspruch auf Totalität und Zukunft. Aber: „Die Verbrüderung der Volksgenossen mit Hilfe der Musik funktionierte nur mittels aggressiver Abgrenzung gegen ‚Andersartiges‘“, so der Düsseldorfer Journalist Werner Schwerter: „Der mörderische Antisemitismus war nicht einfach ein Ausrutscher – er gehörte untrennbar dazu, war Programm und Kalkül von Anfang an, auch wenn man bei Beethovens Neunter gerade daran nicht denken mag.“Das Ziel einer von Rassegesetzen diktierten Kunst war gerade in der Musik nicht immer klar und eindeutig zu erreichen. Die Nazi-Kulturpolitik hatte den Anspruch, Ordnung zu schaffen, verbindliche Maßstäbe zu setzen und Feinde auszumerzen. Musikalische Hauptgegner wurden unter den Etiketten „Atonalität“ und „Jazz“ angegriffen und als schädlich für das deutsche Wesen gebrandmarkt. Dahinter, so die Parteilinie, stand natürlich das internationale Judentum, dessen verderblicher Einfluss mit dem Sieg der „nationalen Revolution“ in Deutschland ein Ende gefunden hatte.Aber gerade auf dem Gebiet der Musik führte dies oft zu Widersprüchen, Unsicherheit und Verwirrung. Warum sollte sich die musikalische Sprache des Juden Felix Mendelssohn Bartholdy plötzlich grundlegend von der seiner romantischen Zeitgenossen unterscheiden? Warum sollte der Dreiklang „germanischer“ Natur sein, warum der Jazz „undeutsch“? „Der Rassismus hatte auch die deutsche Musikkritik aller Urteilsgrundlagen beraubt“, stellt Werner Schwerter fest: „Sollte man es sich fortan einfach machen: Stammbaum als Maßstab? Das konnte nicht funktionieren.“ Schwerter weist darauf hin, dass es jüdische Komponisten gab, die ganz dem vermeintlich arischen Harmonieverständnis entsprachen. Und umgekehrt Arier, die atonal experimentierten. So viele Ausnahmen – „dass letztlich keine Regeln mehr galten, obwohl doch alles geregelt sein sollte.“ Ein Ereignis im Rahmen der Reichsmusiktage, an dem sich solche Widersprüche besonders deutlich zeigten, war die Hetzschau „Entartete Musik“ (in Anlehnung an die im Vorjahr gezeigte Ausstellung „Entartete Kunst“). Die Idee hatte der Generalintendant des Deutschen Nationaltheaters in Weimar, Hans Severus Ziegler. „Was in der Ausstellung ‚Entartete Musik‘ zusammengetragen ist, stellt das Abbild eines wahren Hexensabbath und des frivolsten, geistig-künstlerischen Kulturbolschewismus dar und ein Abbild des Triumphes vom Untermenschentum, arroganter jüdischer Frechheit und völliger geistiger Vertrottelung“, sagte er in seiner Eröffnungsrede. Die Ausstellung, die dem Publikum die Auflösung „unserer arischen Tonordnung“ vorführen sollte, enthielt Nischen, wo man auf Knopfdruck Schallplatten mit Beispielen der verpönten Klänge hören konnte. Die Trennwände dieser Boxen hielten aber den Schall nicht ab: eine beabsichtigte Kakophonie sollte Zieglers „Hexensabbat“ zeigen. „Ein erschreckend billiger und doch raffiniert berechneter Trick, dessen verheerender Wirkung auf die Besucher man sich von vorneherein sicher sein konnte“, sagt dazu der Musikwissenschaftler Albrecht Dümling. Doch nicht alle ließen sich abschrecken: Der Musikkritiker Heinrich Strobel erinnert sich später, dass die meisten Besucher just in den Saal kamen, wo Songs aus der „Dreigroschenoper“ erklangen: „jeder wollte diese Melodien noch einmal hören“. Ziegler war alleiniger Initiator der Ausstellung und trieb das Projekt gegen die Widerstände anderer Kulturfunktionäre voran. Peter Raabe hielt die Ausstellung „für einen Unfug“, so schrieb er an Goebbels, und erklärte im selben Brief seinen Rücktritt als Präsident der Reichsmusikkammer. Dass man mit der Zusammenstellung einen Dilettanten und musikalischen Laien wie Ziegler betraut hatte, erboste ihn.Doch auch Goebbels, der Jazz zu schätzen wusste, hielt nicht viel von Zieglers Grusel-Kabinett: Zwei Stunden nach der Eröffnung verschickte das Reichspropaganda-Amt in Berlin an alle lokalen Propagandaleitungen und die NSDAP-Zentrale in München ein Fernschreiben, in dem groß aufgemachte Berichte über die Ausstellung ausdrücklich untersagt wurden, auch nach den Reichsmusiktagen. Und sie wurde in Düsseldorf zwei Wochen früher als geplant geschlossen.Vieles spricht dafür, dass sich Hans Severus Ziegler als besonders eifriger Nationalsozialist hervortun wollte, weil er wegen seiner Homosexualität angreifbar war.

Der germanische Dreiklang

Bio-Bauer gegen Weltkonzern

Ein Landwirt in Lippe will den Volkswagen-Konzern vor Gericht dazu zwingen, ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr zu bauen. Von einer Niederlage in erster Instanz lässt er sich nicht abschrecken. „Ich bin entsetzt, wie wir Christenmenschen diese wunderbare Schöpfung zugrunde richten“, sagt Ulf Allhoff-Cramer. „Wir zerstören das, wovon wir leben.“ Der gebürtige Sauerländer war ursprünglich katholisch, ist aber schon seit längerer Zeit nicht mehr konfessionell gebunden. Dennoch ist er „ein großer Anhänger von Jesus und seinen Ideen“.Weil der Biobauer in Mosebeck bei Detmold die Folgen des menschengemachten Klimawandels unmittelbar und heftig zu spüren bekommt, ist er gegen den zweitgrößten Autobauer der Welt vor Gericht gezogen. Die Umweltorganisation Greenpeace und die Hamburger Rechtsanwältin Roda Verheyen haben ihn gefragt, ob er als Kläger auftreten würde. Er fordert VW zu einem vollständigen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis 2030 auf. „Das mag verrückt erscheinen“, sagt er, „ist aber angesichts der dramatischen Entwicklung nach Aussage der Klimaforschung notwendig.“Denn die zunehmende sommerliche Dürre bedroht seine Existenz. Wenn der Regen ausbleibt, wächst kein Futter für seine 25 Mutterkühe, die auf Kleegras- und Kräuterwiesen weiden. 2022 musste Allhoff-Cramer bereits im August damit anfangen, seinen Rindern das Winterfutter zu geben – normalerweise ist dieser Zeitpunkt erst im November. Vier der letzten fünf Sommer waren Dürresommer.„Unsere Nadelwälder sind dem Wassermangel und der Hitze zum Opfer gefallen, die Laubwälder waren noch nie in einem derart schlimmen Zustand. Die Förster sagen: Uns gehen die Baumarten aus, es ist ungewiss, welche wirklich noch eine Perspektive haben in einer immer heißeren Welt.“ Das vormals wasserreiche und fruchtbare Klima in Deutschland sei schon jetzt aus den Fugen.Die Mühen des Gerichtsverfahrens nimmt Ulf Allhoff-Cramer auf sich, weil er zutiefst davon überzeugt ist, „dass wir die Belastbarkeitsgrenzen unseres schönen Planeten respektieren müssen, wenn wir unseren Kindern eine halbwegs intakte Welt hinterlassen wollen.“ Er glaubt, Jesus würde heute alles dafür tun, dass die Schöpfung erhalten bleibt. „Die Klimakrise ist die größte denkbare Ungerechtigkeit – gegenüber den Nachfolgenden und schon jetzt gegenüber den Menschen im globalen Süden“, sagt er. Und: „Die alte Schlange aus dem Paradies flüstert uns heute ein, dass die zerstörerische Lebensweise unser selbstverständliches Recht sei. Die Folgen werden schrecklich und brutal sein, wenn wir nicht schnellstens gegensteuern.“ Gegensteuern würde unter anderem bedeuten: nicht weiterhin Jahr für Jahr ungebremst Millionen neuer klimaschädlicher Diesel und Benziner zu verkaufen. Genau das tut der Autobauer aus Wolfsburg. Der Landwirt findet, Konzerne wie VW sollten aus eigenem Interesse Klimaschutz betreiben: „Wenn unsere Welt von immer schlimmeren Katastrophen zerrüttet wird, dann wird es auch keine erfolgreiche Wirtschaft mehr geben können.“Wer seine bildschönen Kühe sieht, die duftendes Heu bekommen, glaubt ihm gerne: „Nur wenn wir den Tieren ein gutes Leben ermöglichen, kann auch ihr Fleisch ein gutes Lebensmittel sein.“Von einer ersten Niederlage lässt er sich nicht aufhalten. Am 24. Februar hat das Landgericht Detmold seine Klage abgewiesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die von dem Bauern vorgebrachten Beeinträchtigungen mit den von ihm geforderten Maßnahmen beseitigt werden könnten. Der Kläger habe nicht ausgeführt, so erklärte das Gericht, welche wesentlichen Eigentums- und Gesundheitsbeeinträchtigungen „gerade ihn in einer um mehr als 1,5 Grad erwärmten Welt treffen sollen, die über diejenigen hinausgehen, die seinem Vorbringen nach bereits jetzt eingetreten sind“.Wenig überraschend: Der VW-Konzern sieht sich nach dem Detmolder Urteil darin bestätigt, dass Klimaklagen gegen einzelne herausgegriffene Unternehmen der falsche Weg seien. Es sei „nicht Aufgabe eines Landgerichts, über solche klimapolitischen Fragen zu entscheiden“. Dies obliege dem Gesetzgeber.Allhoff-Cramer hat den Eindruck, dass die Richter die Klimakrise in ihrer gesamten Dimension nicht verstanden hätten. „Vielleicht ist ihnen das eine Nummer zu groß.“ Das Unvergleichliche an dieser Krise: „Sie wird schon bald nicht mehr heilbar sein. Dann müssen unsere Kinder in einer Welt ständiger ökologischer und humanitärer Katastrophen leben. Der Menschheit läuft die Zeit davon.“Er wird beim Oberlandesgericht Hamm in Berufung gehen.

Bio-Bauer gegen Weltkonzern

Brennende Bücher

„Seit Bücher geschrieben werden, werden Bücher verbrannt.“ Sagte Erich Kästner, dessen Bücher 1933 in Flammen aufgegangen waren, 25 Jahre später. Am 10. Mai 1958 erklärte er auf der Tagung des Schriftstellerverbandes PEN: „Die Geschichte des Geistes und des Glaubens ist zugleich die Geschichte des Ungeistes und des Aberglaubens. Die Geschichte der Literatur und der Kunst ist zugleich eine Geschichte des Hasses und des Neides.“ Wie wahr. Auf den biblischen Bericht von der – freiwilligen! – Verbrennung von Zauberbüchern in Ephesus (Apostelgeschichte 19,19) beriefen sich in den folgenden Jahrhunderten immer wieder gnadenlose Glaubenshüter, mit schrecklichen Folgen. Ein Beispiel für sehr viele ist der Befehl des Erzbischofs von Toledo, 5.000 Bücher islamischer Theologie einschließlich Koran, sowie Philosophie, Geschichtsschreibung und Naturwissenschaften zu verbrennen. Das war 1499, nachdem die islamischen Mauren aus Andalusien vertrieben oder zwangsgetauft worden waren. In Heinrich Heines Tragödie „Almansor“ (1823) bezieht sich der Maure Hassan darauf: „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher / Verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ Aber auch aus politischen und moralischen Gründen landete Schriftliches im Feuer. Das zieht sich vom antiken China über muslimische Eroberer im Mittelalter in Indien, die Zeugnisse des Buddhismus verbrannten, über Mongolen, die wiederum islamische Bücher verbrannten. Während der Französischen Revolution verbrannten die Jakobiner royalistische Bücher. Tonnenweise als verwerflich erachtete Literatur samt Bleidruckplatten wurde ein Raub der Flammen durch die 1873 in den USA gegründete „Gesellschaft zur Bekämpfung des Lasters“. Noch 1965 verbrannten junge Menschen, die „Entschieden für Christus“ kämpfen wollten, unter Berufung auf Apostelgeschichte 19,19 in Düsseldorf öffentlich „Schund- und Schmutzliteratur“, aber auch Bücher von Albert Camus, Günter Grass, Françoise Sagan, Vladimir Nabokov und – kaum zu glauben! – Erich Kästner. Er stand unter den Zuschauern, als am 10. Mai 1933 kurz vor Mitternacht in Berlin der Scheiterhaufen entzündet wurde. Er war, als einziger betroffener Autor, Zeuge, als seine Bücher ins Feuer flogen. begleitet von dem Geschrei der sogenannten Feuersprüche: Gegen Klassenkampf und Materialismus, für Volksgemeinschaft und idealistische Lebenshaltung! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Marx und Kautsky. Gegen Dekadenz und moralischen Zerfall! Für Zucht und Sitte in Familie und Staat! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Heinrich Mann, Ernst Glaeser und Erich Kästner. Gegen Gesinnungslumperei und politischen Verrat, für Hingabe an Volk und Staat! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Friedrich Wilhelm Foerster. Gegen seelenzerfasernde Überschätzung des Trieblebens, für den Adel der menschlichen Seele! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Sigmund Freud. Gegen Verfälschung unserer Geschichte und Herabwürdigung ihrer großen Gestalten, für Ehrfurcht vor unserer Vergangenheit! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Emil Ludwig und Werner Hegemann. Gegen volksfremden Journalismus demokratisch-jüdischer Prägung, für verantwortungsbewusste Mitarbeit am Werk des nationalen Aufbaus! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Theodor Wolff und Georg Bernhard. Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkriegs, für Erziehung des Volkes im Geist der Wehrhaftigkeit! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Erich Maria Remarque. Gegen dünkelhafte Verhunzung der deutschen Sprache, für Pflege des kostbarsten Gutes unseres Volkes! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Alfred Kerr. Gegen Frechheit und Anmaßung, für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist! Verschlinge, Flamme, auch die Schriften von Tucholsky und Ossietzky!“ Im Fokus der „Aktion wider den undeutschen Geist“ standen die bedeutendsten Dichter der Zeit: Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Ernest Hemingway, Irmgard Keun, Jack London, Arthur Schnitzler, Anna Seghers, Arnold Zweig, Stefan Zweig, ebenso Journalisten wie Egon Erwin Kisch und viele, viele andere politisch unliebsame, oppositionelle, pazifistische, jüdische und marxistische Autoren. An 22 deutschen Hochschulorten verbrannten an diesem Tag Tausende Bücher. Allein in Berlin landeten etwa 20.000 Bände auf dem brennenden Holzstoß. Die Initiative kam von der akademischen Jugend, die das Ganze wochenlang vorbereitet hatte. Der Berliner Bibliothekar Wolfgang Herrmann erstellte „schwarze Listen“, die dann fortlaufend ergänzt und erweitert wurden. Auf dieser Grundlage raubten ab 6. Mai studentische Stoßtrupps Buchhandlungen und Leihbüchereien aus. Auf Lastwagen, in Autos oder Möbelwagen, auf Viehwagen oder Ochsenkarren schafften sie Bücher herbei. Schon ab Mitte März kam es in deutschen Städten zu Bücherverbrennungen. An insgesamt rund 90 Orten, nicht nur Universitätsstädten, brannten in Deutschland Bücher, die Aktionen zogen sich bis in den Herbst 1933. Die Literaturwissenschaftlerin und Publizistin Inge Jens (1927-2021) erklärte: „Deutsche Studenten bemühten sich, den Nationalsozialisten zu zeigen, dass Verlass auf sie sei.“ Die organisierte „Deutschen Studentenschaft“ galt schon während der Weimarer Republik als reaktionär, nationalistisch und antisemitisch. Inge Jens: „Der 10. Mai 1933, an dem die junge Mannschaft auszurotten begann, was ihrer Vorstellung von einer deutschen Revolution zuwiderlief, war in der Republik von Weimar gründlich vorbereitet worden.“ Viele Studenten marschierten in SA-Uniform oder im vollen Wichs ihrer Verbindungen zu den Scheiterhaufen. Und die Professoren – Germanisten, Philosophen, Kunsthistoriker – machten in großer Zahl bereitwillig mit, hielten Feuerreden im Talar und mit Barett. Der politische ranghöchste Germanist Deutschlands hatte seinen Auftritt am 10. Mai kurz in Berlin: Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, ein Doktor der Philosophie, wie Erich Kästner feststellte, forderte die deutschen Studenten auf, „den deutschen Geist zu verbrennen. Es war Mord und Selbstmord in einem. Das geistige Deutschland brachte sich und den deutschen Geist um.“ Ab 1935 erschien regelmäßig eine „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“, die schließlich 12.400 Titel und das Gesamtwerk von 149 Autoren umfasste. Ein antifaschistischer Autor, 1933 bereits im österreichischen Exil, gewann nach einer Zeitungsmeldung den Eindruck, seine Bücher seien nicht dem Zerstörungswerk zum Opfer gefallen (was nicht stimmte). Oskar Maria Graf veröffentlichte umgehend in der Wiener Arbeiter-Zeitung den Protest: „Verbrennt mich!“ Dort heißt es: Das Dritte Reich hat fast das ganze deutsche Schrifttum von Bedeutung ausgestoßen, hat sich losgesagt von der wirklichen deutschen Dichtung, hat die größte Zahl seiner wesentlichsten Schriftsteller ins Exil gejagt und das Erscheinen ihrer Werke in Deutschland unmöglich gemacht. Die Ahnungslosigkeit einiger wichtigtuerischer Konjunkturschreiber und der hemmungslose Vandalismus der augenblicklich herrschenden Gewalthaber versuchen all das, was von unserer Dichtung und Kunst Weltgeltung hat, auszurotten und den Begriff ‚deutsch‘ durch engstirnigsten Nationalismus zu ersetzen. Ein Nationalismus, auf dessen Eingebung selbst die geringste freiheitliche Regung unterdrückt wird, ein Nationalismus, auf dessen Befehl alle meine aufrechten sozialistischen Freunde verfolgt, eingekerkert, gefoltert, ermordet oder aus Verzweiflung in den Freitod getrieben werden!Und die Vertreter dieses barbarischen Nationalismus, der mit Deutschsein nichts, aber auch rein gar nichts zu tun hat, unterstehen sich, mich als einen ihrer ‚Geistigen‘ zu beanspruchen, mich auf ihre sogenannte ‚weiße Liste‘ zu setzen, die vor dem Weltgewissen nur eine schwarze Liste sein kann! Diese Unehre habe ich nicht verdient! Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, daß meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen!

Brennende Bücher

Mut zum Verstand

Das klingt nach Utopie: „Zum ewigen Frieden“. Als Immanuel Kant 1795 unter diesem Titel seinen „philosophischen Entwurf“ veröffentlichte, war er längst ein berühmter Mann. Sein Hauptwerk war erschienen und hatte das philosophische Denken, weit über Deutschland hinaus, revolutioniert. Nun also, mit 71 Jahren, griff er nochmals zur Feder und bot seinem Verleger ein Werk an, das ihm bald den Vorwurf der Träumerei einbrachte, doch gleichwohl ein durchschlagender Erfolg wurde. Wer auch nur die kurze Vorbemerkung liest, erfährt: Es geht hier nicht um einen utopischen Friedenstraum. Die Überschrift ist satirisch, erklärt der Autor. Er hat sich dazu von einem Wirtshausschild anregen lassen, worauf ein Kirchhof gemalt war. Ewiger Friede käme demnach erst nach dem Tod. Kant, der sein Leben bisher eher abstrakten Ideen und Prinzipien gewidmet hat, wird nun höchst konkret. Er entwickelt die Grundlagen für einen wirklichen, dauerhaften Frieden zwischen den Staaten. Dazu muss sich die Politik der Idee des Rechts unterordnen: Das Recht der Menschen muß heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es noch so große Aufopferung kosten.Am 5. April 1795 hatte Preußen mit dem revolutionären Frankreich einen Sonderfrieden geschlossen und war damit aus dem Kreis der europäischen Staaten ausgeschieden, die Frankreich nach dem Sturz der Monarchie bekämpften. Der preußische Untertan Kant nutzte die Gunst der historischen Stunde und proklamierte als Voraussetzung für eine Friedensordnung: Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein.Ein solcher Staat ist für Kant eine Gesellschaft von Menschen, über die niemand anders, als er selbst, zu gebieten habe. Der Staat ist also kein Instrument der Herrschaft, sondern dient der gesellschaftlichen Selbstbestimmung: eine zur Zeit des Absolutismus erstaunlich moderne Auffassung.Grundvoraussetzung für dauerhaften Frieden ist: Es soll kein Friedensschluß für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden: Ein bedingter Friede trägt den Keim neuer Feindseligkeiten in sich. Ebenso darf die Souveränität eines Staates – klein oder groß, das gilt hier gleichviel – nicht zerstört werden. Konkurrierende militärische Hochrüstung ist verboten, denn sie bedroht andere Staaten unaufhörlich mit Krieg durch die Bereitschaft, immer dazu gerüstet zu erscheinen und reizen diese an, sich einander in der Menge der Gerüsteten, die keine Grenzen kennt, zu übertreffen. Ein weiteres Friedenshindernis sind gewaltsame Interventionen: Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines andern Staats gewalttätig einmischen. Und schließlich gelten auch im Krieg Regeln: Verboten ist alles, was das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen muss, etwa politischer Terrorismus oder Kapitulationsbruch. Hier deutet sich bereits der Grundgedanke der Genfer Konvention an.Kant entwickelt sein rechtsphilosophisches Friedensmodell auf drei Ebenen: Staatsrecht, Völkerrecht und Weltbürgerrecht. Die republikanische Verfassung mit Gewaltenteilung ist die staatsrechtliche Voraussetzung. Als völkerrechtliche Grundlage sieht er einen Bund von souveränen Staaten: Das Völkerrecht soll auf einem F ö d e r a l i s m freier Staaten gegründet sein. Dazu führt er den Begriff „Völkerbund“ ein. Auf globaler Ebene schließlich soll ein wechselseitiges „Besuchsrecht“ für alle Menschen gelten, die endlich sich doch nebeneinander dulden müssen, ursprünglich aber niemand an einem Orte der Erde zu sein mehr Recht hat, als der andere. Dazu passt als weitere Voraussetzung ein striktes Verbot von Ausbeutung und Kolonialismus. Denn eine Rechtsverletzung irgendwo auf der Erde wird an allen gefühlt, sagt Kant: so ist die Idee eines Weltbürgerrechts keine phantastische und überspannte Vorstellungsart des Rechts, sondern eine notwendige Ergänzung des ungeschriebenen Kodex sowohl des Staats- als Völkerrechts zum öffentlichen Menschenrechte überhaupt und so zum ewigen Frieden. Die kleine Schrift hat die Form eines Friedensvertrags. Mit diesem Kunstgriff, „durch das ironische Moment der Imitation“, widerspreche Kant der Meinung, er werde nun zum Praktiker der Politik, erklärte dazu der bedeutende Kantforscher Rudolf Malter (1937-1994).Immanuel Kant lebte in kriegerischen Zeiten. Er machte sich keine Illusionen über den „ewigen Frieden“. Dennoch wurde sein Versuch, „konkrete politische Überlegungen mit einer systematischen rechtsphilosophischen Reflexion zu verbinden“ (Rudolf Malter), eines der einflussreichsten philosophischen Werke überhaupt. Als der US-amerikanische Präsident Woodrow Wilson im Januar 1918 sein 14-Punkte-Programm für eine Friedensordnung nach dem Ersten Weltkrieg vorlegte, war er von Kant inspiriert. Der Friedensvertrag von Versailles dagegen trug den Stoff zu einem künftigen Kriege in sich und ist ein historisches Gegenbeispiel. Der 1920 gegründete Völkerbund führte immerhin zu einer – vorübergehenden – Annäherung der Erbfeinde Frankreich und Deutschland. 1946 ging aus dem Völkerbund die UNO hervor. Auch deren Charta ist von Kant beeinflusst: das Selbstbestimmungsrecht der Staaten, die Nichteinmischung, die souveräne Gleichheit der Nationen und das allgemeine Gewaltverbot sind von ihm vorgedacht. Ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg wie Hitlers Überfall auf Polen (1939) war ein krasser Widerspruch zu Kants Rechtsphilosophie – mit verheerenden Folgen.Kant glaubte, dass der im Menschen angelegte wechselseitige Eigennutz, der zum Handelsgeist führt, den Krieg zumindest erschweren würde: Staaten, die miteinander Handel treiben, bekämpfen sich nicht militärisch. Diese optimistische Grundannahme hält der Realität nicht stand: Wirtschaftskriege gibt es schon lange. Doch die deutsche Politik baute noch 2014, nach der Besetzung der Krim und des Donbas, darauf, dass die wirtschaftlichen Verflechtungen mit Russland ein Stabilitätsfaktor seien. Nach Putins Angriff auf die gesamte Ukraine 2022 erwies sich diese Hoffnung endgültig als trügerisch. Zugleich wurde beklemmend deutlich, dass der Zustand des Kalten Krieges kein Friede im Sinne des Königsberger Philosophen gewesen war. Wahrheit, Lüge und VernunftImmanuel Kants Ethik in Zeiten von Fake News und Verschwörungsfantasien Gelogen wurde schon immer. Lange bevor Begriffe wie „Fake News“ oder „alternative Fakten“ in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen sind, gab es Lügen, Halbwahrheiten, Fälschungen. Lug und Trug wurden immer wieder als scheinbar probates Mittel der Herrschaftstechnik eingesetzt. Immanuel Kant hielt die Behauptung falscher Tatsachen in jeder Hinsicht für verkehrt: aus Gründen der Vernunft. Seine Ethik beruht ebenso auf Vernunft wie ein Satz der Mathematik oder eine chemische Formel.Jeder Mensch muss täglich Entscheidungen treffen, oft von großer Tragweite. Da jeder Mensch ein vernunftbegabtes Wesen ist, soll er ausschließlich Entscheidungen treffen, die man jedem anderen vernünftigen Wesen ebenso zubilligen kann. Denn: „Nur ein vernünftiges Wesen hat das Vermögen, nach der Vorstellung der Gesetze, d. i. nach Principien, zu handeln, oder einen Willen“, sagt Kant: „Da zur Ableitung der Handlungen von den Gesetzen Vernunft erfodert wird, so ist der Wille nichts anders, als practische Vernunft.“ Vernünftige Begründungen für das Handeln sind dabei niemals nur im Einzelfall gültig. „Aus sich eine Ausnahme zu machen, sich selbst etwas herauszunehmen, das dabei notwendig voraussetzt, dass andere dasselbe nicht tun: Das ist Kants Ethik zufolge so etwas wie der Kern der Unmoral“, sagt der Philosoph Tim Henning von der Universität Mainz.Moralische Entscheidungen orientieren sich also an dem, was für alle gilt: Wer zu einer Gemeinschaft von vernünftigen Wesen gehört, trifft nur solche Entscheidungen, die jedes Mitglied dieser Gemeinschaft ebenso treffen könnte. Tim Henning: „Jedes Glied dieser Gemeinschaft gestaltet jede seiner Entscheidungen so, dass er sie auch um der gleichen Freiheiten der anderen willen bejahen kann.“ Denn wenn es um die Freiheiten aller geht, bin ich eingeschlossen. Dies ist der Grund für moralische Regeln, zum Beispiel: nichts Falsches versprechen, nicht lügen, nicht betrügen.Solche Moral bestimmt über uns – und das bedeutet für Kant nichts anderes als: Wir bestimmen selbst über uns. Wir brauchen keine weitere externe verbindliche Quelle, die erklärt, warum und wie die Moral über uns bestimmen darf. Kant sagt: „Und was ist es denn nun, was die sittlich gute Gesinnung oder die Moral berechtigt, so hohe Ansprüche zu machen? Es ist nichts geringeres als der Antheil, den sie dem vernünftigen Wesen an der allgemeinen Gesetzgebung verschafft.“ Die gleichen Freiheiten also aller vernünftigen Wesen sind der entscheidende Maßstab für eine Handlung.Damit sind die Voraussetzungen für Kants berühmten kategorischen Imperativ gegeben, den er mehrfach formulierte. Die wohl genaueste Fassung lautet: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Es ist hier also „die wechselseitige Anerkennung unserer gleichen Ansprüche auf Freiheit artikuliert.“ (Tim Henning)Das Prinzip, auf dem das aufbaut, ist sehr alt. Es findet sich bereits in der sogenannten Goldenen Regel, die von Jesus in der Bergpredigt überliefert ist: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun, das tut ihr ihnen auch!“ (Matthäus 7,12). Dieser Grundsatz kommt im Judentum, in vielen anderen Religionen und sprichwörtlich in negativer Fassung vor: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“Nicht lügen – in diesem Punkt war der alte Kant besonders streng. Mit 73 Jahren veröffentlichte er den Aufsatz „Über ein vermeintliches Recht aus Menschenliebe zu lügen“ (1797). Jede Aufweichung des Lügenverbots führt demnach zwingend dazu, „dass Aussagen überhaupt keinen Glauben finden“. Wer lügt, macht sich unglaubwürdig und wird diesen Makel so schnell nicht mehr los. Und: Wer lügt, „missbraucht das ihm entgegengebrachte Vertrauen und verhält sich zur sozialen Norm parasitär“, sagt Geert Keil, Professor für Philosophische Anthropologie in Berlin.Aber auch eine Notlüge „aus Menschenliebe“ ist für Kant nicht zulässig. Selbst in einem extremen Fall hält er mit bedingungslosem Rigorismus an der Regel fest: „Die Lüge gegen einen Mörder, der uns fragt, ob unser von ihm verfolgter Freund sich nicht in unser Haus geflüchtet, [wäre] ein Verbrechen“. Also nicht einmal um das Leben eines Unschuldigen zu retten, ist eine Unwahrheit erlaubt. Diese Position wurde mit Recht als „abstoßend“ und „moralisch haarsträubend“ bezeichnet. Eine Möglichkeit, mit der Wahrheit in extremen Situationen umzugehen, schlägt der Kant-Forscher Marcus Willaschek (Frankfurt) vor: „Ich will nicht lügen, es sei denn, die Lüge ist das einzige Mittel, um ein großes Unrecht zu verhindern, und verletzt keine berechtigten Interessen anderer.“Wer aber die Lüge zum Herrschaftsprinzip macht, erhebt sich über die Menschen, die sich ihres eigenen Verstandes nicht bedienen. Kants „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ (1784) beginnt mit der bekannten Definition: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“ Er findet deutliche Worte: Die Vormünder, die die Oberaufsicht über diejenigen „gütigst übernommen haben“, die aus Faulheit und Feigheit gerne unmündig bleiben und „das verdrießliche Geschäft“ des Denkens anderen überlassen, haben „ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht“, um es dann am Gängelband zu führen. „Es ist so bequem, unmündig zu sein.“Das trifft heute zum Beispiel in den USA auf die Anhänger von Trump zu, deren Gefolgschaft nur mit Realitätsverweigerung zu erklären ist. Anders liegt der Fall bei Putin: Nur durch Gewalt und Terror gegen die eigene Bevölkerung kann er seine auf Lügen gebaute Herrschaft aufrechterhalten. Sogar vor Immanuel Kant macht das Zurechtbiegen der Wahrheit nicht halt: Der größte Sohn Königsbergs, heute Kaliningrad, wird zum 300. Geburtstag ohne Rücksicht auf die Fakten vereinnahmt, gar als Landsmann bezeichnet, denn die Stadt war ab 1758 fünf Jahre russisch besetzt. Der Vordenker des Völkerrechts, der die gewalttätige Einmischung eines Staates in Verfassung und Regierung eines anderen Staates klar verurteilte, wird schamlos instrumentalisiert – von dem Diktator, der einen völkerrechtswidrigen Krieg angezettelt hat. Russland, so heißt es in einer Presseerklärung des Wissenschaftsministeriums, bleibe Kant, anders als viele westliche Länder, als „Verteidiger echter Zivilisationswerte“ treu. Kant, die Weißen und die WildenWie konnte sich der Philosoph der Aufklärung zu rassistischen Urteilen versteigen? Versuch einer Erklärung „Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Race der Weißen.“ Wie passt dieser Satz zu den universalen Menschenrechten, zur Freiheit und Gleichheit aller, zu der aufklärerischen Überzeugung, Menschen dürften nicht wie Gegenstände instrumentalisiert werden? Und doch: Immanuel Kant sah nicht nur die „weiße Rasse“ als die vollkommenste an. Er klassifizierte auch zum Beispiel Inder als weniger talentiert, weit tiefer noch stünden Menschen mit schwarzer Hautfarbe, „und am tiefsten steht ein Theil der amerikanischen Völkerschaften“. In seinen Vorlesungen zur Anthropologie (1790-1792) beschrieb er die „kupferfarbenen Wilden in Amerika“ als „ohne Leidenschaften und Affekte, kultur- und lieblos, faul und wortkarg“. Ihre Freiheit sei „nicht zivilisiert, sondern tierisch“. Die „Rasse der Neger“ sah er als „lebhaft, schwatzhaft und leidenschaftlich“, aber arbeitsscheu und „ohne eigenen Bildungstrieb“. Diese Aussagen beruhen auf Mitschriften nach Vorlesungen des Königsberger Professors, die später von anderen herausgegeben wurden. Lassen sie sich damit erklären oder entschuldigen, dass er ein Kind seiner Zeit war? Oder verbirgt sich hinter dem strahlenden Licht der Aufklärung ein tiefsitzender Rassismus? Ist Kants Philosophie der Vernunft mit ihrer Betonung des selbständigen Denkens und der zutiefst humanen kosmopolitischen Friedenshoffnung nur eine Maske der Menschenverachtung eines überheblichen Europäers?Diese Vorwürfe postkolonialer Denker kamen in den 1990er-Jahren auf. Kant und andere Aufklärer wurden für die kolonialistischen und imperialistischen Machtsysteme verantwortlich gemacht, mit denen die europäischen Nationen die Völker in anderen Teilen der Welt grausam unterdrückten. „Man solle Kant vergessen, diesen Rassisten, der mit doppelter Zunge sprach!“ So beschreibt treffend Manfred Geier, Kant-Biograf und Publizist, die Forderung, in der solche Anklagen gipfeln.Doch ist die Frage „War Kant ein Rassist?“, die im Jubiläumsjahr oft gestellt wird, überhaupt sinnvoll? Nein, findet Andrea Marlen Esser, Professorin für Philosophie in Jena. Die Beschäftigung damit dürfe sich nicht allein auf Personen konzentrieren, denn Rassismus sei keine Entgleisung von Individuen, sondern eine gesellschaftlich tief verankerte Ideologie. Die Frage könne zum Gefühl moralischer Überlegenheit verleiten. „Doch indem wir das Phänomen des Rassismus individualisieren, historisieren wir es zugleich“, so Esser: „Rassismus erscheint dann bloß als ein Problem historischer Personen und wird auf diese Weise von uns distanziert.“Zu Kants Zeit wurde die Frage nach den „Menschenrassen“ durchaus kontrovers diskutiert. Berichte von Forschungs- und Entdeckungsreisen rund um die Welt stießen auf großes Interesse beim europäischen Lesepublikum. Der schwedische Naturforscher Carl von Linné entwickelte nicht nur eine Ordnung der Pflanzen und Tiere, sondern unternahm auch den ersten Versuch, Menschen systematisch in Rassen einzuteilen. Kants Einteilung, erstmals dargelegt 1775 in der Vorlesung „Von den verschiedenen Racen der Menschen“, war zunächst von dem Interesse geleitet, eine Gesetzmäßigkeit zu erkennen hinter der Vererbung äußerer Merkmale wie Haut- und Augenfarbe. Er wollte eine wissenschaftliche Definition des Begriffes „Rasse“ entwickeln, gegründet auf biologische Kriterien. Einer der Forscher, die ihre Positionen auf eigene Anschauung bauen konnten, war Georg Forster, der 1772 bis 1775 mit Captain James Cook um die Welt gesegelt war. Er widersprach dem sesshaften Königsberger Professor, der alles schon im Voraus wisse und die Natur nach seinen Vorstellungen „modeln“ wolle. Forster dagegen war überzeugt: „die Ordnung der Natur folgt unseren Eintheilungen nicht, und sobald man ihr dieselben aufdrängen will, verfällt man in Ungereimtheiten.“ Er sprach lieber von mannigfachen „Varietäten“ der Menschheit statt von „Rassen“. Und weil er in den Schwarzen „Brüder“ sah, klagte er die Sklaverei bitter an.Damit war er nicht allein: Besonders der Handel mit schwarzen Menschen stieß unter den Aufklärern auf wachsenden Widerstand. Die 1787 in London gegründete Society for Effecting the Abolition of the Slave Trade und die ein Jahr später entstandene französische Société des Amis des Noirs (Gesellschaft der Freunde der Schwarzen) kämpften für die Abschaffung des Sklavenhandels. Sie gewannen auch in Deutschland Einfluss. Auch Kant, der bis dahin die Rassenhierarchie verteidigt hatte, verurteilte in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ (1795) Kolonialismus und Ausbeutung. Gayatri C. Spivak hält nichts davon, Kant einfach als Rassisten abzustempeln. Die Professorin für Literaturwissenschaft an der Columbia University in New York gilt als eine maßgebliche Vertreterin der postkolonialen Theorie. In ihrem Buch „Kritik der postkolonialen Vernunft“ (2013) hat sie Kant dafür kritisiert, dass er die „Wilden“ nicht als Menschen betrachtet, weil diese nicht die Eigenschaften eines voll entwickelten Menschen hätten. „Kant ist so viel klüger als wir und doch wurde er durch den Kapitalismus und den Kolonialismus verdorben.“ Zugleich verweist sie aber auch auf außereuropäischen Rassismus, etwa bei den Hindus. Es reicht ihrer Meinung nach nicht aus, „lediglich mit dem Finger auf den Kolonialismus zu zeigen und zu sagen, wir sind gut und die anderen sind böse“. Korruption und Machtspiele habe es schon immer gegeben. „Wenn wir den Kolonialismus nur rassifizieren, vergessen wir unsere eigenen Rassismen.“ Stattdessen plädiert Spivak dafür, von Kant zu lernen, um sich seinen Universalismus wieder nutzbar zu machen. Denn dieser, also die Idee von der universalen Geltung menschenrechtlicher und anderer Standards, sei notwendig, „um Konzepte wie Demokratie oder Ethik überhaupt denken zu können.“Doch die Frage bleibt: Wie konnte sich Immanuel Kant dazu versteigen, die Überlegenheit der Weißen so grobschlächtig zu behaupten? Einerseits sind seine rassistischen Aussagen in den anthropologischen Vorlesungen unautorisierte Mitschriften. Andererseits: „Seine Vernunftphilosophie kannte keine Rassen, sondern nur das menschliche Subjekt in universalistischer Perspektive“, gibt Manfred Geier zu bedenken. Kant war nicht unfehlbar. Will man sein Werk fruchtbar machen, ist der eigene Verstand zwingend notwendig. Vernunft als Religion – Religion aus VernunftEin gütiger Schöpfergott sorgt dafür, dass sich die Moral am Ende durchsetzt, glaubte Immanuel Kant Fromm war er nicht. Obwohl aus einem pietistischen Elternhaus stammend, glaubte er nicht an einen persönlichen Gott. Eine Praxis Pietatis mit regelmäßigem Gebet war ihm fremd, in die Kirche ging er selten.Dennoch war Immanuel Kant kein Gegner der Religion und des christlichen Glaubens. Nicht nur in seiner Schrift „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ (1793/94) legte er dar, dass und warum die Welt letzten Endes als vernünftige Ordnung gedacht werden soll, in der das Gute herrscht, also ein vollständig moralischer Zustand erreicht ist: Nur Gott kann für diese vernünftige Ordnung sorgen. Wer die Existenz Gottes und der unsterblichen Seele für wahr hält, widerspricht also nicht der Vernunft, im Gegenteil. Zwar lässt sich Gott nicht beweisen, aber die Vernunft spricht dafür, dass es einen gütigen Schöpfer gibt. Denn nur deshalb, so der Kant-Biograf Marcus Willaschek, „dürfen wir hoffen, dass unsere moralisch notwendigen Bemühungen um verdientes Glück, Gerechtigkeit und Frieden erfolgreich sein werden“. Religion hilft also, die „Heiligkeit“ und „absolute Verbindlichkeit der Moral“ zu denken.Warum aber ist dann das Böse in der Welt? Warum gibt es Hass, Unrecht und Gewalt? Anders gefragt: Warum handeln die Menschen unmoralisch? Kant hält fest: „Der Satz: der Mensch ist böse, kann […] nichts anders sagen wollen als: er ist sich des moralischen Gesetzes bewußt und hat doch die (gelegenheitliche) Abweichung von demselben in seine Maxime aufgenommen.“ Woher dieses Prinzip des Bösen kommt, kann auch er nicht erklären. Klar ist für den Philosophen, dass der Mensch oft unmoralisch handelt – wider besseres Wissen. Hier stimmt er mit Paulus überein, der sagt: „Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“ (Römer 7,19).Der Apostel ist überzeugt: Es ist „die Sünde, die in mir wohnt“, die das Böse vollbringt. Nur der Geist Gottes, der in Jesus Christus lebendig macht, kann das Gesetz der Sünde und des Todes überwinden. Für Kant dagegen ist Christus – er nennt ihn „Gottmensch“ – der sinnliche Ausdruck einer rationalen Idee: ein Sinnbild, wie die Menschheit eigentlich sein könnte, wenn sie sich vernünftig verhalten würde: nämlich moralisch vollkommen. Christus ist also „das in unserer Vernunft liegende Urbild […], eigentlich das Objekt des seligmachenden Glaubens, und ein solcher Glaube ist einerlei mit dem Prinzip eines Gott wohlgefälligen Lebenswandels“.Es ist das Ziel der Geschichte, dass die Menschheit diesen vollkommen moralischen Zustand erreicht. Der „Kirchenglaube“ muss dazu nach und nach in den „reinen Religionsglauben“ übergehen. Unter dem Kirchenglauben versteht Kant eine Religion, die nicht auf reiner Vernunft fußt, sondern sich auf andere Autoritäten wie Gott oder die Bibel beruft. Weil es sich hier um „Statuten“ handelt, nämlich „für göttlich gehaltene Verordnungen, […] die für unsere moralische Beurtheilung willkürlich und zufällig sind“, nennt Kant diesen Glauben „statutarisch“. Ihm erteilt er eine vernichtende Absage: „Diesen statutarischen Glauben […] für wesentlich zum Dienste Gottes überhaupt zu halten und ihn zur obersten Bedingung des göttlichen Wohlgefallens am Menschen zu machen, ist ein Religionswahn, dessen Befolgung ein Afterdienst, d. i. eine solche vermeintliche Verehrung Gottes ist, wodurch dem wahren, von ihm selbst geforderten Dienste gerade entgegen gehandelt wird.“ Offenbarung, Gebete, Dogmen, Liturgie, kurz: „alles, was, außer dem guten Lebenswandel, der Mensch noch tun zu können vermeint, um Gott wohlgefällig zu werden“, lehnt der Königsberger Philosoph strikt ab.Das bringt ihn in Konflikt mit dem bigotten preußischen König Friedrich Wilhelm II. Der Philosoph habe Grundlehren der Bibel und des Glaubens entstellt und missbraucht, lässt der Monarch seinem Untertan mitteilen, und befiehlt ihm, nichts dergleichen mehr zu äußern – „widrigenfalls Ihr Euch bei fortgesetzter Renitenz unfehlbar unangenehmer Verfügungen zu gewärtigen habt“. Kant antwortet in allem Respekt, er habe das Christentum keineswegs herabgewürdigt. Öffentlicher Äußerungen zu diesem Thema werde er sich künftig enthalten. Er hat ja bereits alles gesagt, was er dazu zu sagen hat.Sein Vernunftglaube beruht letztlich auf dem kategorischen Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Das Prinzip dahinter drückt schon die Goldenen Regel Jesu in der Bergpredigt aus: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun, das tut ihr ihnen auch!“ (Matthäus 7,12). Kants Denken stimmt damit überein, dass der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen ist. Er hat eine unveräußerliche Würde und soll entsprechend handeln. Wenn das alle tun würden, wäre es besser um die Welt bestellt. Aber die Geschichte der Menschheit sieht anders aus. Schon in den Psalmen der Bibel wird immer wieder die Klage laut, dass es den Bösen, den Frevlern, den gewissenlosen Egoisten so gut geht, während die Gerechten leiden. Beispiel: „Denn für sie gibt es keine Qualen, gesund und feist ist ihr Leib. Sie sind nicht in Mühsal wie sonst die Leute und werden nicht wie andere Menschen geplagt.“ (Psalm 73, 4-5).Eine unerklärliche Naturkatastrophe wie das Erdbeben von Lissabon 1755, bei dem bis zu 100.000 Menschen starben, machte nicht nur Kant, sondern auch seine Zeitgenossen ratlos. Es geschah am Allerheiligentag, zahlreiche Kirchen, in denen die Gläubigen beteten, wurden zerstört, Bordelle und Spelunken blieben verschont. Während nach dieser Katastrophe viele vom Glauben an einen gütigen Gott abfielen, erklärten andere, auch dieses schreckliche Ereignis müsse einen Sinn haben, auch in diesem Bösen verberge sich etwas Gutes.Güte, Tugend einerseits und Glück, Wohlergehen andererseits sind oft in einem empörenden Ungleichgewicht. Die Philosophin Susan Neiman, Direktorin des Einstein Forums in Potsdam, erklärt: Das „Ringen damit, wie man eine Welt ertragen kann, in der Tugend und Glück auseinanderfallen, war ein zentrales Thema für Kant“.

Mut zum Verstand

Hiob in Prag

Er lernte Hebräisch. Er fühlte sich vom Zionismus angezogen und wollte nach Palästina auswandern. Fast alle seine Freunde waren Juden. Er war begeistert vom jiddischen Theater und hielt einen Vortrag über die jiddische Sprache. Das assimilierte Pro-Forma-Judentum seines Vaters verachtete er. Am 3. Juni 1924, vor hundert Jahren, starb Franz Kafka. Intensiv beschäftigte er sich mit dem Glauben des Volkes Israel. Zugleich fragte er sich in seinem Tagebuch: „Was habe ich mit Juden gemeinsam?“ Und antwortete: „Ich habe kaum etwas mit mir gemeinsam und sollte mich ganz still, zufrieden damit, daß ich atmen kann, in einen Winkel stellen.“Franz Kafka, ein Jude unter Christen, ein Deutscher unter Tschechen. Acht Prozent der Prager Bevölkerung sprachen um 1900 deutsch, und von diesen acht Prozent waren fast drei Viertel Juden. Prag, wo er 1883 geboren wurde, war neben Wien „die große Keimzelle der deutschen Literatur“ des 20. Jahrhunderts, schrieb Walter Jens. In Prag begegneten sich böhmische, österreichische, deutsche und jüdische Kultur.Der „Winkel“, in den sich Kafka wie ein ungehorsames Kind stellen wollte, „gab ihm die Perspektive eines präzisen Beobachters“, erklärt die Germanistin Vivian Liska von der Universität Antwerpen. Dieser Beobachter zeichnet zwar keine einzige Figur, die als jüdisch erkennbar ist. Und doch: Jedes Buch, jede Zeile redet vom Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Davon waren jedenfalls die frühen Interpreten Kafkas überzeugt, allen voran der Freund und Förderer Max Brod (1884-1968), für den Kafka „ein Erneuerer der altjüdischen Religiosität“ war, „die den ganzen Menschen, die sittliche Tat und Entscheidung des Einzelnen im Geheimsten seiner Seele verlangt“. Und für die Philosophin Margarete Susmann (1872-1966), die bereits 1929 den Essay „Das Hiob-Problem bei Franz Kafka“ veröffentlichte, lag der Zusammenhang mit dem Hiob der hebräischen Bibel auf der Hand. Hiob ringt mit der Frage nach göttlicher Gerechtigkeit, Kafkas Gestalten ebenfalls. Doch Hiob, obwohl sich sein Leid einer Erklärung entzieht, wird am Ende von Gott, den er nicht begreift, in Gnaden angenommen. Er weiß, dass sein Erlöser lebt. Diese tröstliche Zuversicht fehlt Kafkas Figuren. In der Parabel „Vor dem Gesetz“, die in den Roman „Der Prozess“ eingefügt ist, wird einem Mann der Eintritt in das Gesetz versagt, sein Leben lang wartet er vergeblich. Margarete Susmann: „Im Herzen dieses unheimlichen und qualvollen Traumgespinstes, das unser Leben ist, steht das Hiobproblem des Leides und der Schuld. Aber der Zusammenhang zwischen Leid und Schuld ist […] vollkommen unbegreiflich geworden.“ Der Einzelne kann seiner Schuld nicht entrinnen: „Diese Schuld ist gesetzt damit, daß Gott sich von uns zurückgezogen hat und daß wir in dem Zusammenhang mit ihm auch den Zusammenhang mit uns selbst und mit der Welt verloren haben, dass wir nicht mehr wissen, was wir tun sollen.“Für Kafka war das Schreiben quälend und befreiend zugleich. Nachts hat er geschrieben, tagsüber arbeitete der promovierte Jurist in seinem „Brotberuf“ – durchaus anerkannt und erfolgreich – für die „Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen“. Er litt, wenn er nicht zum Schreiben kam. Schrieb er, strömte es aus ihm heraus, doch das Leiden blieb auch dann nicht aus: Er zweifelte zeitlebens an der Qualität und Bedeutung seiner Werke. Ohne den Freund Max Brod, der als Literaturagent aktiv war und erfolgreich mit Verlagen verhandelte, wäre zu Kafkas Lebzeiten sehr viel weniger aus seiner Feder veröffentlicht worden.Von den dichterischen Aktivitäten seines Sohnes hielt Franz Kafkas Vater gar nichts. Hermann Kafka, der sich aus einfachsten Verhältnissen nach harter Jugend zum wohlhabenden Geschäftsmann in Prag emporgearbeitet hatte, wurde von Franz als tyrannisch, brutal und ungerecht empfunden. Von der Stärke, Gesundheit, Selbstzufriedenheit, Weltüberlegenheit, Ausdauer, Geistesgegenwart, die der Dichter seinem Erzeuger in dem berühmten „Brief an den Vater“ (1919) attestiert, hat er nach eigenem Empfinden selber nichts. Kein Wunder, dass ihn oft ein „Gefühl der Nichtigkeit“ beschlich; jämmerlich kam er sich vor, „und zwar nicht nur vor dir, sondern vor der ganzen Welt, denn du warst für mich das Maß aller Dinge“. Der 103 handschriftliche Seiten umfassende Brief ist ein autobiografisches Prosastück ersten Ranges. Er hat ihn nie abgeschickt oder übergeben. Vernichtend äußert er sich über das Judentum des assimilierten Vaters, dessen Muttersprache Tschechisch war und der seine Kinder in Prag in deutsche Schulen schickte. Im Judentum hätten sich Vater und Sohn doch finden können, schreibt Franz Kafka: „Aber was war das für Judentum, das ich von Dir bekam!“ Gähnende Langeweile in der Synagoge, eine „Komödie mit Lachkrämpfen“ der häusliche Sederabend zum Passahfest. Das bittere Urteil des Sohnes über die Religion des Vaters: Sein Glaube habe darin bestanden, dass er an die unbedingte Richtigkeit der Meinungen einer bestimmten Gesellschaftsklasse – die assimilierten Prager Juden – glaubte „und eigentlich also, da diese Meinungen zu deinem Wesen gehörten, Dir selber glaubtest.“ Franz Kafka begeisterte sich für das jiddische Theater aus Polen und freundete sich mit einem seiner Schauspieler an, Jizchak Löwy. Hermann Kafka nannte ihn „Ungeziefer“ – und „zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt“ sieht sich Gregor Samsa, der Protagonist in Franz Kafkas berühmtester Erzählung „Die Verwandlung“ (1915).

Hiob in Prag

Zwei Schüsse bringen das Pulverfass zur Explosion

1848 kam es in Berlin zu blutigen Kämpfen. Die Märztage waren geprägt von der trügerischen Hoffnung auf Freiheit, Untertanenmentalität, revolutionärer Wut und massiven Beharrungskräften.

Zwei Schüsse bringen das Pulverfass zur Explosion

Wo bleibt das Positive?

Mit leichter Feder gegen schwere Missstände: Sie standen im Visier der Nazis, den Feinden der ersten deutschen Republik und der Demokratie waren sie verhasst. Kurt Tucholsky und Erich Kästner haben gegen die drohende Katastrophe des Faschismus angeschrieben. „Und wo bleibt das Positive, Herr Kästner?“ heißt ein Gedicht von 1930. Ihre Bücher wurden 1933 öffentlich verbrannt.

Wo bleibt das Positive?

Start im Spiegelsaal

Es war eine Demütigung für Frankreich: Im Spiegelsaal von Schloss Versailles bei Paris proklamierten die deutschen Fürsten am 18. Januar 1871 den preußischen König zum deutschen Kaiser Wilhelm I. Kanzler Otto von Bismarck konstruierte einen Obrigkeitsstaat, der 1918 zugrunde ging.

Start im Spiegelsaal

Von Shakespeare zur Bibel

Zeichnen? Ganz einfach. Man braucht nur die beiden Grundformen Kreis und Viereck, daraus lässt sich fast alles machen. Rüdiger Pfeffer macht es vor: Er zeichnet einen Kreis, darunter ein hochformatiges Rechteck, versieht den Kreis mit Augen, Mund und Nase, schon ist es ein Gesicht.

Von Shakespeare zur Bibel

Kleinbürger – und Avantgardist wider Wille

Er sah sich als Münchner Volkssänger, doch er war weit mehr. Karl Valentin hat mit seiner hintersinnigen Komik Triumphe gefeiert. Er starb verarmt und vergessen.

Kleinbürger – und Avantgardist wider Wille

Schwarzweiß-Malerei

Was bedeutet Rassismus? Die Diskussion darüber ist von den USA längst nach Deutschland gelangt. Unter dem Stichwort „Identitätspolitik“ komme ich auch zu der Frage nach meiner eigenen Identität. Und damit frage ich: Wie rassistisch bin ich?

Schwarzweiß-Malerei

Fümms bö wö tää zää Uu

Merz war Kurt Schwitters, und Kurt Schwitters war Merz. Sein Werk ist umfangreich und vielschichtig. „Anna Blume“ und die Ursonate sind seine Schöpfungen. Den Nazis galt er als „entartet“, er musste vor ihnen fliehen.

Fümms bö wö tää zää Uu

Geschichte als Poesie, Dichtung als Historie

Zu Lebzeiten hoch anerkannt und erfolgreich, heute fast vergessen: Das umfangreiche Werk von Ricarda Huch ist rückwärtsgewandt. Den Nazis widerstand sie mutig, blieb in Deutschland.

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Mit bissigem Witz gegen Behördenwillkür und deutsche Spießer

Mit bissigem Witz gegen Behördenwillkür und deutsche SpießerStreitbar und ironisch, verletzend und verletzlich: Heinrich Heines Werke gehören längst zur Weltliteratur.

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Sympathischer Kauz, Wegbereiter der Moderne

Von Galgenbrüdern, Palmström und Mondschafen: Christian Morgenstern war einer der großen Wortspieler unter den deutschen Lyrikern, hat die Sprache zu wunderbar-anarchischen Gedichten geformt.

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Rasterpunkte als Markenzeichen

Die Rasterpunkte waren sein Markenzeichen. Er verfremdete anerkannte Museumskunst und provozierte in den 1960ern mit Motiven aus Comic Strips und Werbeanzeigen. Roy Lichtenstein war neben Andy Warhol der bedeutendste Vertreter der Pop Art.

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Gegen Kleingeister und Kleinstaaterei

Zehnmal Zoll zahlen musste, wer von Österreich zur Nordsee Handel treiben wollte. Friedrich List sah schärfer als andere, wie das Deutschland lähmte. Seine Ideen und Visionen wiesen weit über seine Zeit hinaus.

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Kultureller Quantensprung vor 40.000 Jahren

Die ältesten bekannten Kunstwerke, die ältesten Musikinstrumente – erst vor wenigen Jahren sind sie hier ans Tageslicht gekommen: Sechs Höhlen am Südrand der Schwäbischen Alb sind als „Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb“ UNESCO-Welterbe.

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Blaue Blume und romantische Ironie

Friedrich von Hardenberg, der sich Novalis nannte, zählt zum Kreis der Frühromantiker, die etwas radikal Neues wollten Sein Einfluss auf folgende Generationen ist nachhaltig.

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Liebe und Hass, ganz dicht beieinander

Dem Kino hat er Schönes und Schauderhaftes gegeben. Liebe und Hass, dicht beieinander, bestimmen sein Leben und Werk wie kaum eines anderen Künstlers. Pier Paolo Pasolini war Filmemacher, Romancier, Lyriker, Essayist.

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Jim Knopf und Pipi Langstrumpf - Rassistisch?Darf das Wort "Neger" in Kinderbüchern, die vor Jahrzehnten entstanden sind, stehen bleiben?Darüber wird seit einiger Zeit immer wieder diskutiert.Besonders im Fokus sind Werke von Astrid Lindgren und Michael Ende.

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Geschichten als Mittel zum Leben und Überleben

Die kindliche Fantasie nutzen, um Kindern die Welt zu erklären: Das war das poetisch-pädagogische Programm des großen Erzählers James Krüss. Fantasie hatte der gebürtige Helgoländer selbst jede Menge.

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Nobelpreis für „Rinnsteinkunst“

„Die Weber“ brachten ihm Weltruhm: Gerhart Hauptmann schrieb Dramen über das pralle Leben, über Elend und Ungerechtigkeit in der Industrialisierung. Die Empörung war groß, doch auch die Begeisterung.

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Kampf um Freiheit

Erich Fried gilt als Neuschöpfer der politischen Lyrik in der Bundesrepublik der 60-er und 70-er Jahre, wurde gefeiert und angefeindet. Den größten Erfolg aber hatte er mit seinen Liebesgedichten.

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„Kleiner Mann - was nun?“ machte ihn auf einen Schlag berühmt. Hans Falladas Roman traf 1932 einen Nerv der Zeit. Ein Welterfolg. Zuletzt sorgte „Jeder stirbt für sich allein“ für eine Wiederentdeckung.

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