
Passen Feminismus und Bibel zusammen? Auf jeden Fall, sagen die Theologinnen Luzia Sutter Rehmann und Ulrike Metternich. Sie ordnen biblische Texte mit feministisch und sozialgeschichtlich geschultem Blick neu ein. Sie hinterfragen tradierte Lesarten und interpretieren die biblischen Geschichten ungewohnt – nämlich politisch und zugleich spirituell. Sie lesen die Bibel als ein Buch der Beziehungen, auf der Suche nach Heilwerden, Gerechtigkeit und Frieden. Und sie verbinden diese Suche mit den Fragen der Gegenwart. Ulrike Metternich und Luzia Sutter Rehmann engagieren sich als Bibelwissenschaftlerinnen seit rund 30 Jahren für eine feministische Theologie. Ulrike Metternich leitete als Projektstudienleiterin an der Evangelischen Akademie zu Berlin 16 Jahre lang die Feministische befreiungstheologische Sommerakademie. Luzia Sutter Rehmann ist Professorin für Neues Testament an der Universität Basel, hat mehrere Bücher veröffentlicht und für die Bibel in gerechter Sprache das Lukas-Evangelium neu übersetzt. www.eaberlin.de/feministische-bibelgespraeche
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Gekrümmt und aufgerichtet
Eine Frau sitzt in sich zusammengesunken in der Synagoge. Jesus hilft ihr, sich wieder aufzurichten. Luzia Sutter Rehmann und Ulrike Metternich legen neben diese Geschichte aus dem Lukas-Evangelium (Lk 13,10-17) eine römische Münze, auf der ebenfalls eine Frau in gekrümmter Haltung sitzt. Die Münze preist den Sieg Roms über Jerusalem im Jahr 70 n. Chr. Im Gespräch wird klar, dass die Aufrichtung der Frau als Einspruch gegen die Sicht der Sieger zu lesen ist: Die Bevölkerung wird sich erheben, sie wird sich aufrichten und frei werden! Eine Tochter Abrahams wird niemals gekrümmt und im Staub sitzen bleiben. Mit dieser Folge geht der Podcast in die Sommerpause.

Augäpfelchen – Jairus' Tochter
Ein Mädchen legt sich hin, verstummt und stirbt. Warum? Was hat das Kind? Sein Vater rennt durch die Gassen und drängt sich durch die Volksmenge zu Jesus. Den fleht er an, seine Tochter zu retten, damit sie lebe. Luzia Sutter Rehmann und Ulrike Metternich vergleichen das Schicksal des zwölfjährigen Mädchens aus Markus 5 mit den vom Krieg traumatisierten Kindern unserer Tage. Dabei entdecken sie, dass es um viel mehr geht als um eine individuelle Heilung: Es geht um die Verwandlung der Welt, damit die nächste Generation eine Zukunft hat.

Marthas Frage
Martha – ist das nicht die mit dem Kochlöffel? Die sich bei ihrem Gast Jesus beschwert, ihre Schwester lasse sie allein dienen (Lukas 10,38-42)? Jahrhundertelang wurde das Dienen der Martha als Bewirtung und Küchenarbeit verstanden. Dabei legt sie dem Rabbi Jesus eine Frage vor – die aber oft ungenau übersetzt und theologisch verharmlost wurde. Luzia Sutter Rehmann und Ulrike Metternich lesen genau nach und finden im Kontext dieser Erzählung einen roten Faden, der von der Frage eines Schriftgelehrten zur Nächstenliebe und weiter zum barmherzigen Samariter führt – direkt ins Haus der Martha. Nächstenliebe in den eigenen vier Wänden, in Beziehungen, in der Familie – wie geht das? Es ist höchste Zeit, Marthas Frage ernst zu nehmen.

Zu ihrem Gedächtnis
Die Passionsgeschichte beginnt mit einer geheimnisvollen Frau. Sie betritt die Bühne, nachdem die Mächtigen und Romfreundlichen sich im Hofe des Hohenpriesters abgesprochen hatten, Jesus festnehmen und töten zu lassen. Sie kommt mit äußerst teurem Gewürzöl zu Jesus, nach Bethanien, ins Haus Simons des Aussätzigen. Jesus spricht ihr für ihre Tat einen Ehrenplatz im kollektiven Gedächtnis zu – überall und immer soll an sie erinnert werden. Luzia Sutter Rehmann und Ulrike Metternich lesen die Salbung Jesu wie einen Krimi. Sie folgen der Spur des Öls und fragen genau nach, was die Frau eigentlich getan hat.

Fieber, Feuer, Auferstehung
Dass Frauen und ihre Entdeckungen oft übersehen werden, ist heute gut erforscht. Auch die erste Frau, die im Markus-Evangelium auftritt, wurde immer wieder übersehen: die Schwiegermutter des Petrus. Sie wurde geheilt und bediente Jesus und seine Jünger dafür (Markus 1,29-33). Stimmt das wirklich? Ulrike Metternich und Luzia Sutter Rehmann kritisieren diesen Blick auf diese Frau. Sie betten ihre Geschichte in die Leiden der Nachkriegszeit ein, so dass aus ihr so etwas wie die Erfinderin der Auferstehungsbewegung wird. Denn sie ist die Erste, die die Heilungskraft erfährt und weitergibt im Evangelium.

Der mutige Sklave: Das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden
Ein Sklave der seinem Herrn widerspricht? Das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden (Lukas 19,11-28) hält der Gesellschaft einen Spiegel vor und entlarvt Herrschaftsstrukturen. Ulrike Metternich und Luzia Sutter Rehmann betten es in die Realpolitik zur Zeit seiner Entstehung ein. So machen sie die Bedrohung und die Hoffnung sichtbar, die zwischen den Zeilen stecken: Das Gleichnis stärkt den Mut, genau hinzusehen, sich für Veränderung einzusetzen und an der Gerechtigkeit Gottes festzuhalten.

Die Jungfrau Maria
Ein Engel kündigt Maria an, dass sie schwanger werden soll. Was wurde nicht alles über Marias Schwangerschaft gesagt! Luzia Sutter Rehmann und Ulrike Metternich stellen die biblischen Worte in die Mitte und entdecken dabei eine kritische junge Frau. Diese fragt nach und nickt nicht bloß zu ihrer Berufung. Sie bedankt sich auch nicht. Zwischen ihr und dem Engel entsteht ein Hin und Her, bis die junge Frau ihrer Berufung zustimmt: Sie wird Prophetin für die kommende Generation.

Elisabet. Eine Frau tritt aus dem Schatten
Die biblische Figur der Elisabet steht meist im Schatten Marias, der Mutter Jesu. Aber die Mutter Johannes des Täufers ist weit mehr als das Vorprogramm von Weihnachten. Sie ist die erste Frau im Lukas-Evangelium. Ulrike Metternich und Luzia Sutter Rehmann fragen, wie dort von ihr erzählt wird. So tritt Elisabet aus dem Dunkeln und beginnt zu leuchten – überraschend anders, als man zunächst meint.

Die törichten Jungfrauen
Im Zentrum dieser Podcast-Folge stehen junge Mädchen. Im Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen (Matthäus 25,1-13) müssen sie in der Nacht draußen — auf der Strasse, vor der Tür — auf einen Bräutigam warten, bis sie eingelassen werden. Warum stehen sie dort? Ist der Bräutigam ein Bild für Gott? Oder ist Gott ganz anders? Luzia Sutter Rehmann und Ulrike Metternich nehmen das Gleichnis unter die sozialgeschichtliche Lupe und stoßen dabei auf patriarchale Lesarten.

Nächstenliebe auf dem Prüfstand
Gibt es eine feministische Seite an der Nächstenliebe? Sehr oft wurden und werden von Frauen Liebe und Verständnis bis zur Selbstaufgabe gefordert. In dieser Folge ihres Podcasts ordnen die Theologinnen Ulrike Metternich und Luzia Sutter Rehmann das Liebesgebot neu ein. Denn biblisch gelesen ist Nächstenliebe Respekt auf Augenhöhe. Statt emotionaler Überforderung steckt darin auch eine Aufforderung, sich für die eigenen Rechte einzusetzen.

Die zwölf Apostel – alles Männer?
Sind die zwölf Apostel, feministisch gesehen, ein hoffnungsloser Fall? Nein, im Gegenteil: Punkt für Punkt schauen Luzia Sutter Rehmann und Ulrike Metternich die Zahl Zwölf an: In den Namenslisten der Evangelien gibt es zum Beispiel Variationen, die als Türöffner wirken. Darüber führt die Zahl in die Geschichte Israels, in die Jakobsgeschichte und in die Schöpfung. Die symbolträchtige Zwölf ist keine auf- oder abzählende Zahl, keine Anzahl, sondern eine Hoffnungszahl. Gerade im politischen Kontext des 1. Jahrhunderts war diese Zahl ein Versprechen für die Zukunft.

Die Frau, die Jesus widerspricht
Eine Frau kommt zu Jesus und bittet um Hilfe, denn ihrem kleinen Kind geht es sehr schlecht. Es heißt, es hätte einen Dämon. Doch Jesus will nicht so recht helfen. Eine seltsam schwierige Begegnung beginnt – zwischen Jesus und einer klugen Frau, die nicht lockerlässt. Luzia Sutter Rehmann und Ulrike Metternich ordnen diese biblische Erzählung in die politische Konfliktgeschichte der Stadt Tyros ein, in der sie spielt. Dank ihrer Klugheit und der Liebe zu ihrer Tochter kämpft die Frau sich Wort für Wort aus dem Schatten des Dämons heraus, der auf dem Kind lastet – bis er verschwindet.

Der Tod muss warten. Aufstehen gegen Gewalt
Ein Teenager wird in einer Kleinstadt zu Grabe getragen. Jesus sieht die trauernde Mutter – und die vielen Menschen, die sie begleiten – und tritt an die Bahre. Diese Geschichte aus dem Lukas-Evangelium lesen Ulrike Metternich und Luzia Sutter Rehmann politisch und setzen sie in Bezug zu den Toden von George Floyd, Marielle Franco und vielen anderen, die durch politisch motivierte Gewalt viel zu früh starben. Ihr Tod löste Solidaritätsbewegungen aus – so wie beim Teenager in der biblischen Geschichte. Sie alle appellieren an uns, nicht so weiter zu machen wie bisher, sondern dem Tod Einhalt zu gebieten und sich den Menschen zuzuwenden.

Gotteskraft hautnah
Eine Frau berührt die Kleider Jesu und spürt: Ihre leidvollen Blutungen hören auf – und sie beginnt zu reden. Diese Geschichte aus dem Markus-Evangelium verlangt keinen kindlichen Wunderglauben, und doch spürt die Frau in der Berührung etwas Wunderbares. Davon zu sprechen, ohne dass es kitschig oder falsch klingt, ist gar nicht so einfach. Die Frau lebte in einer Zeit der Gewalt. Dies hat in ihrem Körper Spuren hinterlassen. Die Geschichte erzählt von einer leisen Gotteskraft, die hautnah erlebt werden kann und vieles verändert.

Maria Magdalena ohne Klischee
Wer war die in den Evangelien erwähnte Maria Magdalena und was ist ihre Botschaft? Wir fragen nach, was in den Texten steht und was reine Legendenbildung ist. Die Frau aus Magdala war wohl kaum die Geliebte Jesu, wie mitunter gemutmaßt wurde. Aktuelle Ergebnisse großer archäologischer Grabungen in Magdala geben uns Einblick in das Leben dort im ersten Jahrhundert. Und die Evangelien wollen keine Romanze schildern. Sie haben eher Bilder vor Augen, die zum heutigen Nahost-Konflikt, zum Ukraine-Krieg und anderen Kriegsregionen passen: Die Evangelien beschäftigt die Frage, wie eine traumatisierte Bevölkerung wieder auf die Beine kommen kann. Und Maria Magdalena spielt dabei eine zentrale Rolle.

Junia und das weite Netz von Freund:innen
Netze von Freundi:nnen, die tragen und die Welt verändern – das gab es schon zu biblischen Zeiten. Und ausgerechnet Paulus macht diese Netzwerke sichtbar. Lange Zeit wurden die Frauen in diesem Beziehungsnetz übersehen, kleingeredet oder sogar vermännlicht. Phoebe, Junia und ihre Freundinnen standen Paulus aber in nichts nach. Besonders gut sichtbar ist dies in der Grußliste des Römerbriefes. Aber es brauchte die hartnäckige feministische Forschungsarbeit zahlreicher Theologinnen, bis das weite Netz wahrgenommen wurde, in das Paulus eingebunden war.

Rahel – die standhafte Frau mitten in der Gewalt
Rahel ist die große Frauenfigur in der Geschichte Israels und in der Weihnachtsgeschichte. Im Zusammenhang mit dem Befehl des Königs Herodes, alle kleinen Kinder in Bethlehem zu ermorden, wird an Rahel mit einem Zitat aus dem Prophetenbuch Jeremia erinnert: „Rahel weinte um ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, weil sie nicht mehr lebten.“ In den Machtverstrickungen der damaligen Zeit steht Rahel auf und gibt allen eine Stimme, die um den gewaltsamen Tod ihrer Kinder weinen. Sie lässt sich nicht trösten – und sie lässt sich die Hoffnung nicht ausreden, dass es eine Zukunft gibt. Rahel macht Weihnachten schmerzhaft aktuell und zeigt, was Menschlichkeit heißt, wenn ringsum Gewalt herrscht.

Frieden, um Himmels willen!
Warum steht der Name des römischen Kaisers Augustus in der Weihnachtsgeschichte? Roms Macht reichte damals bis in den Nahen Osten, bis nach Bethlehem. Die jüdische Bevölkerung war dem militärisch Unterwerfungsfrieden schutzlos ausgeliefert. Die Friedensbotschaft der Engel ist ein lauter Protest in der stillen Nacht. Sie macht deutlich: Frieden ist nicht gleich Frieden. Wir lesen die Weihnachtsgeschichte als eine Protestgeschichte gegen Augustus und fragen, für welchen Frieden wir leben wollen.

Fromm und politisch: Maria singt
Was Maria im ersten Kapitel des Lukas-Evangeliums singt, ist höchst politisch. In ihrem „Lobgesang“ geht es um die Umkehrung der politischen Verhältnisse und die Entmachtung der Mächtigen. Marias Lied ist von der Poesie der Psalmen geprägt und enthält viel Widerstandskraft. Auch der Name der Singenden ist Programm: Der damals sehr häufige Frauenname Maria (hebräisch: Mirjam) erinnert an die große Prophetin Mirjam, die gemeinsam mit Mose das Volk Israel aus der Sklaverei Ägyptens geführt hat. Das Lied der Maria singt also widerständig gegen die Unterdrückung des jüdischen Volkes durch die Römer an.

Feministische Bibelgespräche
Passen Feminismus und Bibel zusammen? Auf jeden Fall, sagen die Theologinnen Luzia Sutter Rehmann und Ulrike Metternich. Sie ordnen biblische Texte mit feministisch und sozialgeschichtlich geschultem Blick neu ein. Sie hinterfragen tradierte Lesarten und interpretieren die biblischen Geschichten ungewohnt – nämlich politisch und zugleich spirituell. Sie lesen die Bibel als ein Buch der Beziehungen, auf der Suche nach Heilwerden, Gerechtigkeit und Frieden. Und sie verbinden diese Suche mit den Fragen der Gegenwart. Ulrike Metternich und Luzia Sutter Rehmann engagieren sich als Bibelwissenschaftlerinnen seit rund 30 Jahren für eine feministische Theologie. Ulrike Metternich leitete als Projektstudienleiterin an der Evangelischen Akademie zu Berlin 16 Jahre lang die Feministische befreiungstheologische Sommerakademie. Luzia Sutter Rehmann ist Professorin für Neues Testament an der Universität Basel, hat mehrere Bücher veröffentlicht und für die Bibel in gerechter Sprache das Lukas-Evangelium neu übersetzt.
