MENSCHENSKINDER
Husch, husch! Mit ausgebreiteten Armen scheucht Edo die Hühner und Enten in eine Ecke des Geheges. Jetzt hat er Platz, um sie zu versorgen. Der Elfjährige füllt die Wasserschüssel auf, verstreut Körnerfutter, kontrolliert den Zaun … Insgesamt 70 Tiere zählen zu der kleinen Viehzucht, die seine Eltern sich hier in Nor Geghi aufgebaut haben. Das kleine Dorf liegt mitten in Armenien, Edo wohnt erst seit Kurzem hier. In Gedanken ist er aber noch oft an dem Ort, den er sein „Zuhause“ nennt: Bergkarabach, eine Region im Kaukasus-Gebirge etwa fünfmal so groß wie Berlin. Viele Jahre haben die Länder Armenien und Aserbaidschan darüber gestritten, wem sie gehört. Im September 2023 eroberte Aserbaidschan das Gebiet schließlich für sich. 100 000 armenische Männer, Frauen und Kinder ergriffen daraufhin die Flucht – auch Edo und seine Familie. In Armenien sind sie nun zwar sicher, aber der Neuanfang ist hart. Weil seine Eltern nicht viel Geld verdienen, hilft Edo, wo er kann. Selbst in den Schulferien steht er um sechs Uhr auf und kümmert sich um die Tiere. Doch danach genießt er seine Freizeit: Er hat neue Freunde gefunden, die zum Ballspielen vorbeikommen. Auf der Schotterstraße vor dem Haus können sie kicken, laufen, raufen und vor allem: wieder lachen.